Das finde ich souverän, Frau Schröder
Ich muss sagen: Selten hat ein Anruf mich so überrascht wie der von Ministerin Schröder am 10. Februar. Ich war gerade in Düsseldorf auf einer Ausstellung und musste mir erstmal eine ruhige Ecke suchen zum Zurückrufen. Es wird doch wohl nicht um den FrauenMediaTurm gehen…? Doch, genau darum geht es! „Ich möchte das Archiv in den nächsten Jahren fördern, mit der Summe, die die NRW-Regierung gekürzt hat“, erklärte die Ministerin gleich in den ersten Sätzen (150.000 Euro im Jahr). Wir mussten beide lachen. Denn wir kennen ja unsere Vorgeschichte: Sie und ich hatten einen viel beachteten, sehr scharfen politischen Schlagabtausch im November 2010, der seither immer wieder gerne als Beispiel für „Weiberzank“ zitiert wird, vor allem von Frauen. Und nun das.
Meine erste Reaktion war: „Schön, dass wir mal persönlich miteinander reden. Wir können uns ja nicht nur immer öffentlich streiten.“ Das fand Schröder auch. Und während wir so weiterredeten, mindestens eine Viertelstunde lang, - und nicht nur übers Archiv – dachte ich: „Die ist ja echt souverän.“ Denn das können gemeinhin nur Männer: Sich kritisieren, aber dann, wenn es passt, auch einen Schulterschluss machen.
Und jetzt passt es. Der FrauenMediaTurm war aufgrund der überraschenden Kürzung der Förderung durch die rotgrüne „Frauenregierung“ auf ein Drittel der gesamt 210.000 € im Jahr in höchste Not geraten. Und die Frauenministerin, nicht nur von EMMA in der vergangenen Zeit mehrfach kritisiert wegen ihres weitgehend abwesenden Engagements für Frauen, wollte jetzt offensichtlich ein Zeichen setzen. Was ihr gelungen ist. Es ginge ihr, schrieb Schröder in ihrem offiziellen Statement zur Förderung des FMT, „um den Grundkonsens, dass wir bedeutende Zeugnisse dieser bedeutenden Bewegung als Gesellschaft erhalten, unterstützen und befördern.“
Seit der Vorstand des FrauenMediaTurm, dessen Gründerin und Vorstandsvorsitzende ich bin, den Skandal der Kürzung am 31. Januar öffentlich gemacht hatte, ist viel darüber berichtet worden. Und die meisten Medien vermuteten hinter der Kürzung für das Archiv einen „Racheakt“ gegen meine Person. War ich die anscheinend erwartete Vasallentreue für SPD und Grüne schuldig geblieben?
Vermutlich. Wobei der Konflikt zwischen der autonomen Feministin Alice Schwarzer (die in ihrem Leben mehr SPD gewählt hat als jede andere Partei) und der SPD nicht neu ist. Das hat sehr grundsätzlich damit zu tun, dass die Frauenbewegung ja in Reaktion auf die autonome und etablierte Linke überhaupt erst entstanden ist. Die wollte zwar noch den letzten bolivianischen Bauern befreien, aber hatte die Frauen mal wieder vergessen. Feministinnen haben eben keine Heimat, auch keine parteipolitische.
Nur ungern erinnere ich mich an die Folgen eines EMMA-Sonderbandes zu den anstehenden Wahlen im Jahre 1980 (!). Darin hatte ich die SPD-Logik des „kleineren Übels“ kritisiert (Wählt uns, wir sind nicht so schlimm wie die anderen – Das war, als Strauß zur Wahl stand). Ich forderte die von den „neuen Frauen“ in den Sattel gehobene Schmidt-Partei auf, endlich eine emanzipierte Frauenpolitik zu machen, statt den Konservativen nach dem Maul zu reden („Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf“ etc.).
Die Folge war damals eine sehr persönliche Hetzkampagne gegen mich in den SPD-Medien weit, sehr weit unter der Gürtellinie. Die eskalierte so, dass ich mich nach qualvollen Monaten entschloss, die Motive in einer Pressekonferenz öffentlich zu machen. Woraufhin die für die Kampagne Verantwortliche, die damalige Frauenreferentin des SPD-Vorstandes, zurücktreten musste. Aber das ist lange her. Und ich hatte es eigentlich auch schon längst vergessen.
Sehr grundsätzlich schlägt mein Herz selbstverständlich links. Doch ich bin erfahren genug, zu wissen, dass da, wo links draufsteht, nicht immer auch Fortschritt drin steckt – und da, wo konservativ draufsteht, durchaus fortschrittliche Menschen agieren können. Ich bin und bleibe darum aus tiefster Überzeugung parteiunabhängig.
Doch was ist mit der Causa Merkel? Da wiederholen taz & Kumpanen seit sechs Jahren zwar penetrant, ich hätte „Wahlhilfe“ für die CDU-Kanzlerin geleistet. Und selbst wenn es so wäre – na und? Doch ich habe selbstverständlich keine Wahlhilfe für Merkel gemacht, weil das meinen Prinzipien als Feministin und Journalistin widerspräche. Ich trommele nicht für eine Partei. Allerdings habe ich nach der Wahl, bei der Merkel siegte und Schröder verlor – auch wenn die Kanzlerpartei das ein paar Wochen lang anders sah – kritisiert, wie Verlierer Schröder sich aufführte („Ein Mann sieht rot“). Und was für ein Skandal es sei, dass ein Kanzler, der die Wahl gewonnen hat, nicht Kanzler werden soll, nur weil er weiblich ist. Das fand man im Ausland auch. Es waren bizarre Wochen.
Und was ist mit den Grünen? Nun, da pfeifen es in Köln die Spatzen von den Dächern, dass sie anno 1994 partout selber in den neu aufgebauten Bayenturm wollten – und nie verwunden haben, dass die gemeinnützige Stiftung FMT den Zuschlag bekam. Auch sie und ihre SympathisantInnen (besonders gut vertreten im WDR) traten damals eine regelrechte Diffamationswelle los. Stil: „In dem Turm ist gar kein Archiv, da hat die Schwarzer ihr Himmelbett stehen.“ Oder: „Da hat sich in Wahrheit die EMMA-Redaktion breitgemacht.“ Alle, die das behaupteten, hätten sich jederzeit mit eigenen Augen überzeugen können, dass es nicht so ist. Aber wen interessiert schon die Wahrheit. Sowas funktioniert immer nach dem Prinzip: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.
Dass eine grüne Landesministerin aus Köln allerdings 17 Jahre danach hergeht und im Jahr 2011 ihren Förderanteil für den FMT im März rückwirkend zum 1. Januar streicht – und das in einem Jahr, in dem sie die für Frauen reservierten sieben Millionen Euro im Haushalt zurückgehen lässt – damit hatte selbst ich trotz einschlägiger Erfahrungen nicht gerechnet.
Und apropos EMMA: Die EMMA-Redaktion ist nicht seit 1994, sondern seit 2003 im Bayenturm. Sie hat vom FrauenMediaTurm eine Etage mit einem Großraumbüro über 48 qm gemietet und zahlt dafür 6.800 Euro im Jahr. Zufrieden? Außerdem überlässt EMMA seit 1984 alle Bücher und Dokumente, die archivrelevant sind, gratis dem FMT. Das geht längst in die Tausende. Ich würde das gar nicht erwähnen, wenn ich nicht des ewigen Gehechels mehr als müde wäre: EMMA profitiere vom FMT. Ehrlich gesagt, es ist umgekehrt! Doch wir EMMAs tun das gern. Wir finden nämlich so ein Archiv enorm wichtig.
Jetzt also ein Happyend für ein Projekt, bei dem es übrigens eigentlich ja nicht um eine Personalie geht - auch nicht um die Personalie Schwarzer -, sondern um die Sache: Die Sicherung der Geschichte von Frauen, die bis heute immer wieder geleugnet, ja ausradiert wurde. Diese scheinbare Geschichtslosigkeit ist bis heute eines der größten Hindernisse für die Emanzipation. Genau darum fangen wir Frauen immer wieder bei Null an. Ohne Geschichte keine Zukunft.
Danke, Frau Ministerin!
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