Alice Schwarzer schreibt

Der Widerstand der Katja Riemann

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Die Schauspielerin hätte sich vor dem netten Dauerbeschuss des sich von präparierter Frage zu präparierter Frage hangelnden Herrn ihr gegenüber nur durch Ironie oder Humor schützen können. Aber das wollte oder konnte Riemann nicht. Sie ließ den Moderator nicht abprallen, sondern aufprallen. Eine durchaus gerechte Strafe dafür, dass der sie ganz einfach nicht wahrnahm (Was allerdings, wie gesagt, üblich ist).

Er sah nicht das Erschrecken von Riemann über die für sie überraschende Mitteilung vom Tod der Kollegin Fendel. Er sah nicht ihre Verletztheit, ihren Mund, ihre Augen. Er stellt sich noch nicht einmal die Frage, warum die Frau vor ihm so erschrocken sein könnte über die Rückblende in ihre Kindheit in Kirchweyhe. Er sinniert ihren alarmierenden Sätzen nicht eine Sekunde nach, Sätzen wie: Diese Bilder aus Kirchweyhe seien ihr „wahnsinnig peinlich“, die seien „unheimlich intim“, denn, so Riemann: „Ich schäme mich schnell.“

Und während die 49-Jährige so spricht, verschränkt sie immer fester ihre Arme vor dem Körper. Es sieht aus, als versuche sie, sich selber zu halten.

Irgendwann fängt Katja Riemann an zu lachen. Trocken, tief und mit einem drohenden Unterton. Auch das scheint der Moderator nicht zu hören.

Da plötzlich hat sie einen kurzen Fluchtimpuls. „Wir sind ja so wahnsinnig hell ausgeleuchtet“, sagt Riemann. „Können wir das nicht ein bisschen dunkler machen?“ Nein, wir können nicht. Wir halten weiter drauf. Volle Pulle. Wie immer.

Katja Riemann flüchtet wieder ins Lachen – das ihr vergehen sollte, als sie in den Tagen darauf die hunderte von Facebook-Kommentare über die Sendung las, Stil: „Was für eine Hexe!“

Denn zunächst ging es auf Riemann, im Internet wie im Boulevard. Sodann entschlossen sich die E-Medien zu differenzierten Analysen und zum Moderatoren-Bashing.

Alles richtig, Kollegen. Nur: So geht es doch jeden Tag zu. Nur leistet nicht jeden Tag eine oder einer Widerstand.

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