Die alten Mütter & der Rapunzelkomplex
Diese „alten Mütter“ seien wie die Hexe im Märchen bzw. Disneyfilm, die das von ihr aufgezogene Mädchen ab der Pubertät vor den Männeraugen im Turm verbirgt. Wo die am Vergnügen gehinderte Rapunzel irgendwann ihr Haar herunterlässt, damit der Prinz raufklettern kann.
Nun ist gerade dieses Märchen in den letzten Jahrzehnten unter dem Genderaspekt viel und klug analysiert worden. Doch das scheint der Autorin nicht bekannt zu sein. Im Gegenteil.
„Ich rate uns jungen Frauen“, schreibt die 41-jährige Zeit-Autorin, „sich nicht ideologische Scheuklappen eines überholten Altfeminismus anzuziehen“. Merke: Die Begriffe Feminismus bzw. Feministin gehen neuerdings offensichtlich nicht mehr ohne das Adjektiv „alt“. Das „Wir“ allerdings bei der Selbstqualifizierung als „jung“ hat gerade in dem Fall fast etwas Tragisches, wenn wir bedenken, dass das Ex-Model selbst längst im Mutteralter ist, wenn auch noch keine „alte Mutter“.
Doch kommen wir zur Sache. Was will der Text uns sagen? Dass ein weiblicher Mensch keine eigenständige Intellektuelle sein kann, sondern immer ein relatives Wesen bleibt: Mutter, Tochter oder die Frau von… So wird jedes Wort aus Frauenmund zum Psychokram. Junge Frauen dürfen nicht von älteren Frauen lernen, sie können also nicht auf deren Erfahrungen und Erkenntnissen aufbauen – sondern müssen dies auf jeden Fall als „Bevormundung“ abwehren.
Für die Männerwelt - für die so was ja geschrieben wird – ist das im Patriarchat natürlich praktisch. Jede Frauengeneration muss wieder bei Null anfangen. Und bis sie begreift, ist das Leben vorüber.
Übrigens: Schon richtig, ich könnte, als Jahrgang 1942, rein biologisch gesehen die Mutter einer 41-Jährigen sein. Für die Zeit-Redakteurin Iris Radisch, die das Traktat in ihrem eigenen Blatt lesen durfte, allerdings wäre das schon schwieriger. Sie ist 51, also gerade mal zehn Jahre älter als diese jammernde Dauertochter. Und die wiederum hat bis zur Erreichung der magischen Grenze von 50 gerade mal noch neun Jahre Zeit.