Fatou Bensouda aus Gambia ist die neue Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag. Das hatten die 120 Mitgliedsstaaten, die meisten aus dem afrikanischen Raum einstimmig beschlossen. Bensouda hat sich damit gegen 50 Konkurrenten durchgesetzt, überwiegend Männer. Und Männer haben sie gewählt. Die 51-jährige bisherige Stellvertreterin löst ihren derzeitigen Chef, Luis Moreno Ocampo, ab. Sie ist die erste Frau und der erste schwarze Mensch, der als Chefankläger dieses noch jungen Gerichts fungiert.
Nach ihrer Wahl im November 2011 erklärte Bensouda: „Ich denke, dass ich nur eine Stellvertreterin bin für alle Frauen in der ganzen Welt. Es ist eine Chance, in die Öffentlichkeit zu bringen, was Frauen hinter den Kulissen immer schon getan haben. Ich bin nicht so naiv, die Herausforderungen, die vor mir liegen, nicht zu sehen. Aber ich bin ermutigt durch die ungeheure Unterstützung, die ich habe. Und ich bin mir sicher, dass ich diesen Herausforderungen angemessen begegnen werde.“
Mitte März fällte der Gerichtshof sein allererstes Urteil, nach zehn Jahren Arbeit. Anklägerin Fatou Bensouda. Sie hatte gefordert, den Kongolesen Thomas Lubanga für 50 000 getötete Menschen, für Tausende vergewaltigte Frauen und mit sexueller Gewalt gefügig gemachte Kindersoldaten zu bestrafen. Er wurde schuldig gesprochen, wenn auch nur für die Rekrutierung von Kindersoldaten. „Wer soll schon über mich richten?“ hatte Lubanga einst gehöhnt. Bensouda hat es geschafft.
Die Juristin wuchs in der Familie ihres, früh verstorbenen, polygamen Vaters in Gambia mit zwei Müttern auf und beschreibt ihre Kindheit als „harmonisch“. Dank eines Stipendiums konnte sie in Nigeria studieren. Zurück in Gambia brachte sie es bis zur Generalstaatsanwältin und Justizministerin. Wie sie das geschafft hat? WeggefährtInnen aus der Schulzeit haben dafür eine einfache Erklärung: Sie ist smart, sagen sie.
Fatou Bensouda ist eine gute Zuhörerin. Das hat sie vor zwei Jahren bei einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin unter Beweis gestellt. Es ging um die Kernfrage internationaler Strafgerichtsbarkeit: Gibt es Frieden ohne Gerechtigkeit oder bringt die Genugtuung für Opfer brutaler Gewalt politische Instabilität? Darüber kann trefflich gestritten werden. Doch Fatou Bensouda ließ sich darauf gar nicht erst ein. Sie erklärte: „Solange ein Frieden ohne Gerechtigkeit ausgehandelt wird, kann es keine wirkliche Versöhnung geben.“
Bensouda spricht mit einer dunklen, warmen Stimme, blickt ihre Gesprächspartner aufmerksam an und nimmt sich selbst stark zurück. Selbst wenn sie gar nichts sagt, überzeugt sie so ihre GesprächspartnerInnen durch Uneitelkeit und Zugewandtheit. Die Juristin ist Mutter zweier erwachsener Söhne und einer ebenfalls erwachsenen Adoptivtochter und lebt mit ihrem Mann, einem gambisch-marokkanischen Geschäftsmann, in Den Haag. Religion ist für sie kein Thema. In Gambia sind weit über 80 Prozent der Bevölkerung Muslime; sie folgen einem eher weltlichen Islam.
Die 51-jährige Bensouda ist für ihren neuen Job bestens qualifiziert. Sie kennt nicht nur die mühsame Aufbauphase des ersten ständigen Internationalen Strafgerichtshofs, der Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen soll, wenn staatlichen Institutionen nicht existieren oder versagen. Sie hatte schon zuvor beim Internationalen Ruanda-Tribunal, wohin sie 2002 von Carla del Ponte geholt worden war, Erfahrungen mit der Aburteilung schwerster Menschenrechtsverletzungen gemacht.
Dank ihrer politischen Karriere in Gambia verfügt Bensouda auch über umfassende diplomatische Erfahrungen. So hat sie beispielsweise für ihr winziges Heimatland, das vollständig vom Senegal umgeben ist und lediglich 1,7 Millionen Einwohner hat, die Verhandlungen über die Bildung der westafrikanischen Wirtschafts- und Regionalorganisation ECOWAS mitgeführt. Sie weiß, wie Diplomatie in Afrika funktioniert.
Die afrikanische Gruppe ist die größte der 120 Staaten, die das Römische Statut zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert haben. Der Gerichtshof hat bisher ausschließlich Fälle aus Afrika so weit verfolgt, dass Haftbefehle erlassen bzw. Prozesse eröffnet wurden. Deshalb wird ihm auch von der Afrikanischen Union vorgeworfen, er sei „ein neokoloniales Unterdrückungsinstrument des Westens“.
Mit Fatou Bensouda an der Spitze dürfte diese Unterstellung schwieriger werden. Sie selbst pflegt ihn mit dem Hinweis zu kontern, dass es ja auch überwiegend afrikanische Regierungen gewesen seien, die den IStGH mit den Ermittlungen beauftragt hätten.
Brigid Inder, die Geschäftsführerin der Frauen-Initiative für Geschlechter-Gerechtigkeit in Den Haag, sagt über Fatou Bensouda: „Sie ist eine sehr prinzipienfeste Person.“ Fragt man Bensouda selbst, was sie in Den Haag erreichen will, antwortet sie: „Ich arbeite für die Opfer in Afrika, diese Frauen sind wie ich. Sie sind es, aus denen ich meine Inspiration und meinen Stolz ziehe.“