Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen
Die Methode ist simpel. Wenn eine der zahlreichen Ex-Freundinnen und Gespielinnen bereit ist auszusagen, versucht Kachelmanns Verteidiger, diese Aussage entweder zu verhindern oder aber zumindest die Zeuginnen schon vorab unglaubwürdig zu machen.
In diesen Tagen hatte Schwenn sich drei der Frauen vorgeknöpft. Eine vierte, die Hauptbelastungszeugin, steht heute wieder vor Gericht. Sie hatte schon 20 Stunden lang Rede und Antwort gestanden. Doch auf Antrag der Verteidigung muss sie nun ein viertes Mal vor Gericht aussagen.
All diese Frauen, denen Kachelmann meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen.
Da ist die heute 30-Jährige, damals 19, die zwischen 1999 und 2001 eine Affäre mit dem 20 Jahre Älteren hatte. Sie hat sich nach Öffentlichwerden der Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen Kachelmann bei der Staatsanwaltschaft gemeldet und erklärt, die Strafvorwürfe erinnerten sie fatal an ein eigenes Erlebnis mit dem TV-Moderator, nach dem sie sich umgehend von ihm getrennt hatte. Und was tut Verteidiger Schwenn? Er versucht, die Zeugin, als sie vor Gericht aussagt, nach § 55 StPO vereidigen zu lassen. Dieser Paragraf besagt, dass man nicht aussagen muss, falls man sich dadurch „selbst belastet oder einer Straftat bezichtigt“. Schwenn suggeriert also, die Zeugin habe selbst etwas zu verbergen.
Da ist die heute 24-Jährige, damals 18. Sie will 2005/2006 ein Verhältnis mit dem 28 Jahre Älteren gehabt haben. Und sie sei damals noch Jungfrau gewesen. Sie behauptet, sie habe sich eigentlich von ihm trennen und nur noch mal mit ihm reden wollen. Doch es soll zum Geschlechtsverkehr gekommen sein. Gewollt habe sie das nicht. Sie will die ganze Zeit geweint haben. Doch hat sie auch Nein gesagt, wie sie später vor Gericht behauptete? Verteidiger Schwenn stellt das infrage.
Und da ist die Schweizerin, die aussagte, Kachelmann habe sich bei einem ersten Treffen in ihrer Wohnung so schockierend verhalten, dass sie ihn nie mehr wiedersehen wollte. Und das zwei Wochen vor der fraglichen Nacht am 9. Februar in Schwetzingen. Verteidiger Schwenn aber behauptet, die Zeugin habe doch nur „wirtschaftliche Interessen“, habe ihre Geschichte nur an Medien verkaufen wollen.
Die Strategie dieser Art von sogenannter „offensiver Verteidigung“ ist: eine Verteidigung um jeden Preis und auf Kosten Betroffener sowie die Herabwürdigung missliebiger Gutachter.
Und vor allem: So viel Lärm machen, dass die Medien nur über dieses Spektakel berichten – und dabei möglichst vergessen, worum es hier wirklich geht. Denn eigentlich geht es um etwas sehr Ernstes. Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass Kachelmann in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll.
Die Behauptung der Ex-Freundin in Schwetzingen, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte Kachelmann sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten.
Ihre Vorwürfe wird heute wohl auch die Hauptbelastungszeugin wiederholen. Und was tut Verteidiger Schwenn? Er kündigte bereits vorab an, er habe das mutmaßliche Opfer nur deswegen noch einmal laden lassen, damit die Ex-Freundin Gelegenheit habe, endlich die Wahrheit zu sagen und ihre Lügen zu widerrufen. Denn dass auch sie lügt, ist ja klar.
Und was tut Jörg Kachelmann? Der schweigt. Seit einem Jahr.
Alice Schwarzer in Bild, 25.3.2011