PorNO-Veranstaltung Wiesbaden
Bitte beachten Sie die Trigger-Warnung: Gewalt und Mord. Stellen Sie sich vor, dass ihr Kind oder Sie selbst vor laufenden Kameras von mehreren Personen vergewaltigt werden. Stellen Sie sich weiter vor, dass die filmischen und fotografischen Ergebnisse einem Millionenpublikum uneingeschränkt verfügbar gemacht werden und in Ihrer Stadt, in ihrer Straße und in den Schulen von Minderjährigen konsumiert werden.
Neben uns Anwesenden hier in der Caligari Filmbühne in Wiesbaden gibt es in dieser Stadt und anderswo unzählige Menschen, die nicht nur Betrachtende von gewalttätigen pornografischen Inhalten sind, sondern Betroffene. Diese wenden sich irgendwann an das Kommunale Frauenreferat und nahestehende Hilfseinrichtungen, um Schutz zu finden.
Genau diese Menschen sind die Millionen guten Gründe, für die die Ringvorlesung mit ihren Referentinnen, Referenten sowie den vorgetragenen Themen zusammengestellt und veröffentlicht worden sind. Die Ringvorlesung hat Hunderte Menschen bewegt und in Wallung versetzt. Der Wissens- und Erkenntnisgewinn durch die forschungsbasierte themenbezogene Auseinandersetzung fordert zum Handeln auf.
Für alle Unerschrockenen, die sich fachlich und inhaltlich für die Kooperation der Hochschule RheinMain mit dem Kommunalen Frauenreferat interessieren, möchte ich nochmal kurz das Thema nahebringen, um das es eigentlich geht, nämlich: Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Istanbul Konvention.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist unabhängig von Genderidentitäten weltweit eine der am stärksten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die jeden Tag und überall auf der Welt verübt wird. Sie hat kurzfristige und langfristige körperliche, psychische und ökonomische Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen.
Gewalt bzw. die allgegenwärtige Angst vor Gewalt hindert Frauen, Mädchen und queere Menschen an einer gleichberechtigten und umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es herrscht Informationsbedarf, Aufklärungsbedarf, Präventionsbedarf und Verhinderungsbedarf von Missbrauch, Misshandlung, Vergewaltigung, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Mord, sexuelle physische und psychische Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Porno Business, das von toxischpatriarchalen Strukturen dominiert ist.
Für alle Frauen, Mädchen und queere Menschen, die unabhängig von ihrer Genderidentität von sexueller und häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind, wünsche ich, dass ihr stummer Schrei nach Hilfe in Wiesbaden lauter gehört wird. Wir sind alle zur konstruktiven Partizipation eingeladen. Für Studierende bietet die Fortsetzung der Kooperation mit dem Kommunalen Frauenreferat großartige Chancen, um ihre Kreativität und die gesellschaftsrelevante Wirksamkeit von Kunst, Kultur und Kommunikationsdesign öffentlich sichtbar und erlebbar zu machen.
Solche Chancen können in einer Unkultur aus Wut, gewaltbereitem Ideologismus, Ausgrenzung, Nötigung und Verhinderung nicht überleben. Der Austausch von unterschiedlichen Meinungen ist erstrebenswert und unverzichtbar. Einander zuhören, andere Meinungen zulassen, etwas dazu lernen, das sind Tugenden, mit denen sich die Welt zum Besseren verändern lässt. Gut, dass wir miteinander sprechen und einander zuhören.
A propos sprechen und streiten und standhaft bleiben: Wenn ich an die bekannteste Vorreiterin der feministischen Bewegung denke, dann fällt auf, dass ihr zu jeder Zeit Menschen den Mund verbieten und sie zum Schweigen bringen wollten und heute immer noch wollen. Wäre Alice Schwarzer erfolgreich zum Schweigen gebracht worden, dann wäre die Welt um wichtigste Errungenschaften im Kampf um Gleichberechtigung und Frauenrechte sowie um unvergessliche Medienmomente ärmer.
Sie kennen mich nicht, sehr geehrte Alice Schwarzer. Ich kenne Sie seit frühster Jugend. Nicht nur aus den Medien, sondern auch aus leidenschaftlichen Diskussionen mit meinen älteren Schwestern in den siebziger Jahren. Ihr Mut, Ihre Entschlossenheit und Ihre Unerschütterlichkeit sind ein Vorbild. Ich freue mich über die persönliche Begegnung mit Ihnen am heutigen Abend.
Alle Videos zur Ringvorlesung "Pornografie und Gesellschaft"