Alice Schwarzer schreibt

Quotenfrau Nr. 1 ist Kanzlerin Merkel!

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Denn an eines muss an dieser Stelle erinnert werden: Die Forderung nach der Frauenquote kommt keineswegs aus der Frauenbewegung – sie kommt aus der Parteipolitik. Und jetzt ist sie in der Wirtschaft gelandet, wo es noch mehr weh tut als in der machtloseren Politik. Den Männern weh tut, die ihre Spitzenplätze räumen müssten für Frauen. Genau die Sorte Mann sieht seine Interessen seit längerem aufgeregt vertreten in Focus, eine Festung der Männerängste vor starken Frauen.

Als in den 1970er Jahren die Frauenbewegung aufbrach, weit über das Verhältnis zwischen Frauen und Männern hinaus die ganze Republik umzukrempeln, da strömten die Frauen nicht nur in die Frauenzentren, sondern auch in die Parteien, von links bis rechts. Denn sie hatten die Hoffnung, in den Parteien die Politik mitprägen zu können. Aber Pustekuchen. Die Jungs auf Posten hatten keinen Bock zum Rücken. Ja, sie dachten noch nicht einmal im Traum daran, die Frauen als Kandidatinnen aufzustellen.

Als erste rebellierten die Aufstand-geübten grünen Frauen. Sie führten gleich bei Parteigründung 1980 die 50/50-Quote ein. Und als das nicht fruchtete, weil die Jungs die Politik jetzt einfach im Kaminzimmer entschieden, putschten sie 1984 kurzfristig mit dem so genannten „Feminat“: sechs Frauen an der Spitze.

Erst zehn Jahre später, 1990, folgte die SPD mit einer 40-Prozent-Quote für Ämter und Mandate. Die CDU brauchte noch weitere sechs Jahre, bis sie 1996 das so genannte „Frauenquorum“ einführte – der Begriff Quote schien nicht zumutbar – nach dem ein Drittel der Ämter von Frauen besetzt werden muss. Ihre Schwesterpartei CSU wartete noch mal weitere 14 Jahre und schrieb dann 2010 glatte 40 Prozent für Frauen in Parteiämtern fest. Die tüchtige Ilse Aigner (CSU), die heute gegen eine Frauenquote in der Wirtschaft plädiert, würde wohl ohne die Quote in der Politik noch nicht einmal existieren.

Das sensationellste Resultat der formellen bzw. informellen Quote in den Parteien ist die heute „mächtigste Frau der Welt“ (Times), die Bundeskanzlerin. Angela Merkel ist eine Quoten-Frau. Das sagt sie auch selber, weil sie immerhin ein gutes Gedächtnis hat. Als die bis dahin völlig unbekannte junge Wissenschaftlerin aus der DDR 1991 überraschend Frauenministerin in Kohls Kabinett wurde, da besetzt „Kohls Mädchen“ (wie sie impertinent in den Medien genannte wurde) gleich eine informelle Doppelquote im Bonner Kabinett: als Frau und als Ossi. So hatten die Westmänner schon mal einen Quotenplatz in der Regierung gespart bzw. für sich retten können. Seit 2005 ist Angela Merkel Kanzlerin. Spätestens dieser Coup hat mich überzeugt.

Eine „Quotenfrau“ zu sein, ist keine Schande. Die Chefzimmer wimmeln von Quotenmännern. Die Männerbündler lassen auch den dämlichsten Kerl nicht im Regen stehen. Warum also sollten nicht endlich auch Frauen, weil sie Frauen sind – und außerdem selbstverständlich angemessen qualifiziert und tüchtig, das ist Voraussetzung! – drankommen? Es geht ja auch nur um eine 40-Prozent-Quote im Aufsichtsrat von DAX-geführten Unternehmen bis 2020. Übrigens: Egal, wie die Debatte in Deutschland läuft: Die EU wird uns schon auf die Sprünge helfen. Denn für sie sind die 40 Prozent bis 2020 beschlossene Sache.
Dass die Frauen deswegen zu Frauenbündlerinnen werden, ist nicht zu befürchten bzw. zu hoffen. Zu tief ist seit Jahrtausenden die Tradition der Rivalität unter Frauen, von denen ja bis vor gar nicht so langer Zeit jede einzelne zum Überleben auf die Gunst eines Mannes bzw. der Männer angewiesen war. Jede andere Frau war also eine bedrohliche Konkurrentin. - Aber wir haben ja noch ein paar tausend Jahre zum Üben.

Es bleibt jedoch dabei, dass die Quote nur eine Krücke sein kann und keine Lösung. Und sie ist ja auch nicht unheikel. Denn fängt man erst einmal an, für eine Bevölkerungsgruppe Sonderrechte einzuführen – wo hört man dann auf? Focus zitiert die Diversity-Managerin von Ford, Brigitte Kasztan, mit folgendem interessanten Argument gegen die Quote: „Da wir dann gleichermaßen Quoten für Migrationshintergrund, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung schaffen müssten.“

Da ist prinzipiell gesehen etwas dran. Das Recht sollte universell sein und bleiben. Denn alle Menschen sind gleich. Nur zieht sich die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen nun durch Jahrtausende der Menschheitsgeschichte und ist, wie auch Patriarchatsforscherinnen wie Gerda Lerner belegen, die Urkonstellation unserer Oben/Unten-Gesellschaft: auf der Geschlechter-Hierarchie bauen alle anderen Hierarchien auf. Und sie lässt sich biologisch so fatal eindeutig festmachen – was weder für das Alter (älter werden wir alle mal, jung waren wir alle mal), die Homosexualität (die Grenzen zwischen der kulturell geprägten Hetero- und Homosexualität sind fließend), noch für den Migrationshintergrund (Stichwort Integration) gilt.

Und die Quotenfrau Nr. 1 der Republik? Angela Merkel hält sich zurück. Die Bundeskanzlerin möchte nicht den konservativen Flügel ihrer eigenen Partei ausgerechnet wegen der Frauen verärgern. Mal wieder! Offiziell unterstützt sie die arg naive Anti-Quoten-Position ihrer Frauenministerin, die bisher eher als Männerministerin von sich reden machte. In Richtung Frauen allerdings raunte die Kanzlerin jüngst: „Meine Geduld bei dem Thema geht zu Ende.“ – So geht es uns schon länger, Frau Bundeskanzlerin.

Zum Weiterlesen:
Dagmar Deckstein: Du fragst mich nach der Quote… (EMMA 1/2013)

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