Shulamith Firestone ist tot
Shulamith Firestones Buch über die Liebe hat die Neue Frauenbewegung weltweit nachhaltig geprägt – auch mich persönlich und den „Kleinen Unterschied“. Es erschien in zahlreichen Sprachen und fünf Jahre später auch auf Deutsch, unter dem Titel „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“. Bis heute ist Firestones Text nicht nur aktuell, sondern unübertroffen.
„Ein feministisches Buch, das sich nicht mit der Liebe auseinandersetzt, wäre ein politischer Fehlschlag. Denn die Liebe ist – wahrscheinlich mehr noch als das Kinderkriegen – der Schlüssel zur Unterdrückung der Frauen heute. Ich weiß, dass dies eine erschreckende Frage beinhaltet: Wollen wir die Liebe abschaffen?“ So lauten die Kernsätze in Firestones Angriff auf das Bollwerk namens Liebe.
Simone de Beauvoir, die Firestone sehr schätzte, hat einmal gesagt: „Wenn man von weit her kommt, macht man manchmal größere Schritte.“ Shulamith, genannt Shulie, kam von sehr weit her. Sie war das zweite von sechs Kindern einer orthodoxen jüdischen Familie, geboren am 7.1.1945 unter dem Namen Shulamith Bath Shmuel Ben Ari Feuerstein in Ottawa. Shulie studierte Kunst an der Washington University und begann zu malen. In den späten 1960er Jahren engagierte sie sich in feministischen Gruppen, zunächst in Chicago, dann in New York.
1970 erschien Firestones Buch über die Liebe, gleichzeitig mit Kate Milletts Buch über Sexualität („Sexus und Herrschaft“). Damit war das Kern- und Kampfthema der Neuen Frauenbewegung angeschlagen: Liebe & Sexualität. Sowohl Begeisterung wie Empörung schlug hohe Wellen. Schließlich gehen Liebe & Sex jeden an, jede Frau und jeden Mann. In dieser Tradition veröffentlichte ich 1975 „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, in dem es um Liebe & Sexualität im Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern geht.
Der Druck auf Shulamith Firestone wurde nach Veröffentlichung so groß, dass sie nicht standhielt. Sie wurde mit der Diagnose „Schizophrenie“ in die Psychiatrie eingeliefert. Und verstummte für lange Zeit. Erst 28 Jahre später, 1998 veröffentlichte Firestone ihr zweites Buch: „Airless Spaces“. Sie schrieb es in der dritten Person, aber es war ihre Geschichte.
„Sie hatte ‚Dantes Inferno’ gegenwärtig, als sie das erste Mal ins Hospital eingeliefert wurde (...) Als sie rauskam, erinnerte sie sich an nichts mehr. Das half, die leeren Tage zu überstehen und nicht in totaler Hoffnungslosigkeit zu versinken“, schreibt sie und fährt fort: „Sie war klarsichtig, ja, aber welchen Preis hatte sie dafür gezahlt. Ihr Leben war ruiniert – und sie hatte keinen Rettungsplan.“
Auch Kate Millett war in den Jahren nach der Veröffentlichung von „Sexus und Herrschaft“ mehrfach in der Psychiatrie gelandet. Die Angriffe von außen plus Querelen innerhalb der Frauenbewegung sowie Angriffe auf die „berühmte Feministin“ belasteten auch Milletts Leben schwer. Sie ist älter als Firestone und hat sich seit langem aufs Land zurückgezogen.
Ja, die Klarsicht in Sachen Liebe & Sexualität hat ihren Preis.
Zum Weiterlesen:
Shulamith Firestone: „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“. Das Buch ist vergriffen, jedoch im FrauenMediaTurm (FMT) einsehbar und auf steht auf www.frauenmediaturm.de Volltext online.