Alice Schwarzer schreibt

Sie fliehen vor den Islamisten!

Mädchen in einem Flüchtlingsheim in Essen (im Dezember 2014). - © Ralph Lueger /imago
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Erstmal die gute Nachricht. 81 % aller MuslimInnen hierzulande „lieben Deutschland“ (Deutsche: 85 %). Und 77 % „fühlen“ sich sogar „deutsch“. Das hört sich doch, trotz einiger Probleme, nach einer weitgehend gelungenen Integration an, oder? Nein, nicht für die MigrationsforscherInnen der Humboldt-Universität in Berlin, die die zitierte Studie gemacht haben. Sie trauen ihrer eigenen Studie nicht. Sie finden: Die Menschen mit muslimischem Hintergrund müssten alle unter der Fremdenfeindlichkeit der Deutschen leiden!

Beweis: 49 % aller von ihnen (telefonisch) befragten Deutschen meinen, Lehrerinnen sollten in der Schule kein Kopftuch tragen. Und 38 % vertreten die Auffassung, „eine Frau mit Kopftuch kann nicht deutsch sein“. Daraus schließen die Migrationsforscher - deren Ende 2014 veröffentlichte Studie wohlwollend in den Medien zitiert, doch von niemandem kritisiert wurde -, diesen Menschen fehle einfach „die Bereitschaft zur Anerkennung“. Denn die Anerkennung des Kopftuches (es ging in der Frage ausschließlich um Lehrerinnen in der Schule!) sei eine „Wegmarkung für die gesellschaftliche Partizipation einer religiösen Minderheit“.

Die Studie ist ein Paradebeispiel für das Verwirr-
spiel zwischen "Islam" und "Islamismus".

Ist das so? Sehen wir uns doch einmal die Studie des Innenministeriums aus dem Jahr 2009 an. Da sieht das ganz anders aus. Da gab nämlich nur jedeR Dritte der befragten 6.000 MuslimInnen an, „stark gläubig“ zu sein. Jeder Zweite sagte, er oder sie sei nur „mehr oder weniger gläubig“. Und 14 % erklärten gar dezidiert, „nicht gläubig“ zu sein. Als „religiöse Minderheit“ würden diese Muslime in Deutschland sich sicherlich nur ungern definieren lassen. 

Und das Kopftuch? Sieben von zehn Musliminnen in Deutschland haben „noch nie“ eines getragen! Ja, selbst jede Zweite unter den „stark Gläubigen“ hat „noch nie“ ein Kopftuch getragen - und der Rest trägt es auch keineswegs immer, sondern so manche nur „manchmal“. Kann die Bejahung des Kopftuches (für Lehrerinnen in weltlichen Schulen!) also als „Wegmarkung für gesellschaftliche Akzeptanz“ von Menschen im muslimischen Kulturkreis gelten? Gewiss nicht.

Die eingangs zitierte „wissenschaftliche Studie“ des „Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung“ an der Humboldt-Universität ist also ein Paradebeispiel für das Verwirrspiel zwischen „Islam“ und „Islamismus“, sie ist wissenschaftlich unseriös und manipulativ. Denn sie setzt die berechtigte Kritik am Islamismus, dessen Flagge seit Khomeinis Machtergreifung im Iran 1979 das Kopftuch ist, gleich mit einer Kritik am gesamten Islam, ja mehr noch: mit der fremdenfeindlichen Nicht-Akzeptanz aller Muslime. Die Mehrheit dieser Muslime aber dürfte sich herzlich dafür bedanken. Schließlich sind sie die ersten Opfer der Islamisten.

98 % aller Flüchtlinge, die heute nach Europa kommen – wenn sie nicht schon auf dem Weg hierher ertrinken – dürften Opfer der Islamisten (mit ihrer Zwangsverschleierung aller Frauen) sein; egal ob sie aus Syrien, dem Irak, Afghanistan oder Libyen kommen (übrigens alles Länder der ex-sowjetkommunistischen Hemisphäre). Im Mittelmeerraum und in Nahost sind die Menschen vor allem auf der Flucht vor den Gottesstaatlern an der Macht bzw. deren Söldnern in den Bürgerkriegen. Ohne den Terror des islamischen Fundamentalismus hätten wir heute kein Flüchtlingsproblem in Europa.

Ohne den islamistischen Terror kein Flüchtlingsproblem in Europa.

Selbstverständlich müssen wir diese Flüchtlinge aufnehmen und ihnen beistehen! Aber: Wir müssten gleichzeitig die Ursachen des Horrors bekämpfen. Und das nicht nur mit Drohnen gegen den selbsternannten „Islamischen Staat“ (die zu 70 % die Zivilbevölkerung treffen, wie alle Drohnen), sondern auch und vor allem, indem wir die verantwortlichen Staaten, die den Terror ermutigen und finanzieren, zur Verantwortung ziehen.

Und das sind nicht nur zutiefst anti-demokratische, islamistische Länder wie Saudi-Arabien oder Katar, mit denen wir beste diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen pflegen. Das ist auch das neuerdings IS-kritische Amerika, das die islamistischen Terroristen in den 1980er und 1990er Jahren aufgerüstet hat für den – so erfolgreichen wie folgenschweren – Kampf gegen die Sowjetunion (z.B. in Afghanistan). Es sind diese Gotteskrieger und ihre Söhne, die seither mordend durch das Morgenland marodieren.

Und was ist mit den Hunderten, ja Tausenden Konvertiten, die aus Europa in den Dschihad ziehen? Sind sie isolierte Phänomene, individuelle Ausrutscher? Oder sind sie die logische Ausgeburt einer falschen Toleranz, die über Jahrzehnte auch mitten in Deutschland der islamistischen Hetze in den Koranschulen und (so manchen) Moscheen nichts Positives entgegengesetzt hat – und das immer noch nicht tut?

Schariapolizei nicht nur in Wuppertal; Cash an Eltern für das Verschleiern der Töchter; Druck auf Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder, zurückzufallen in eine dumpfe Gläubigkeit; naive Multikulti-Romantik statt Ernstnehmen der Anderen; Gleichsetzung von Kritik am Lehrerinnen-Kopftuch mit Fremdenfeindlichkeit (und das auch noch im Namen der Wissenschaft). Das ist der Boden, auf dem Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit wuchern.

Die 81 % Muslime, die sich in Deutschland so wohl fühlen, hätten verdient, dass wir zu ihnen halten. Und auf die restlichen 19 % müssten wir offensiv zugehen, nicht etwa indem wir das Kopftuch bejahen (das andernorts den Frauen mit Nägeln in den Kopf geschlagen wird) oder die Burka für „selbstgewählt“ halten (die andernorts das Leichentuch für Millionen Frauen ist), sondern indem wir die (noch) nicht Integrierten selbstbewusst einklagen, sie auffordern, unser Wertesystem anzuerkennen: Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Gleichberechtigung – sowie strikte Trennung von Religion und Staat. Religion ist Privatsache, sie darf kein Gesetz sein, das die Rechtstaatlichkeit aushebelt.

Von einer Kanzlerin erwarte ich auch die Benennung der Ursachen des Elends!

Die Kanzlerin ist viel gelobt worden für ihre Neujahrsansprache. Dafür, dass sie ein guter Mensch ist, Flüchtlingen eine Heimat bietet und Fremdenfeindlichkeit Einhalt gebieten will. Das ist richtig. Doch mit Verlaub: Von einer Kanzlerin erwarte ich mehr: nämlich die Benennung und Bekämpfung der Ursachen des Elends! Auch mitten in Deutschland.

Apropos: Vor zwei Tagen ist mir im Baumarkt einer deutschen Kleinstadt eine Frau im Tschador begegnet. Im Tschador, diesem bodenlangen schwarzen Gewand, das ich 1979 erstmals fassungslos in Teheran gesehen habe. Im Teheran von Ayatollah Khomeini. In dem deutschen Baumarkt drehten zwar einige die Köpfe, doch niemand schien erschrocken.

Meine Recherchen ergaben: Vor ein paar Monaten haben Unbekannte im Zentrum der Stadt ein Haus ersteigert. In diesem Haus verkehren seither tief verschleierte, überwiegend junge Frauen, die mit Bussen angekarrt werden. Ein Indoktrinationszentrum von Salafisten?

Zurzeit gehört es zum guten Ton, empört zu sein. Empört über Pegida. Die seien fremdenfeindlich, undemokratisch, rechts! heißt es. Das mag durchaus für die Wortführer und so manche Mitläufer zutreffen. Und es ist eine Tendenz, die sich durch die harsche offizielle Ablehnung offensichtlich verschärft. Aber gilt das auch für die 49 % der Bevölkerung, die laut Umfrage der Zeit „voll und ganz“ oder „eher ja“ hinter dem Pegida-Protest stehen? Und für die weiteren 26 %, die Pegida „teilweise“ recht geben?

Der Protest ist auch das berechtigte Unbehagen an dieser neuen Form des Faschismus.

Sollte die Politik das Unbehagen dieser überwältigenden Mehrheit nicht ernst nehmen, statt es weiterhin zu ignorieren, abzustrafen, ja zu dämonisieren? Denn es ist ja kein Unbehagen am türkischen Nachbarn oder an der türkischen Kollegin. Es ist ein Unbehagen an der offensiven islamistischen Agitation, der Propagierung der Scharia. Es ist das berechtigte Unbehagen an dieser neuen Form des Faschismus.

Wo also bleibt die Empörung der politischen Klasse über die Forcierung von Parallelgesellschaften mitten in Deutschland oder die Frau im Tschador mit dem verschleierten Mädchen im deutschen Baumarkt? Auch dagegen müsste demonstriert werden. Und zwar dringend! Und diese Demonstrationen hätten nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun, sondern wären im Gegenteil ein Beistand sowohl für die Flüchtlinge aus den islamistischen Ländern als auch für die 81 % der integrierten MuslimInnen in Deutschland, die gerne in einer Demokratie leben. In einem Land, zu dessen hehren Prinzipien die Trennung von Staat und Religion ebenso gehört wie die Gleichberechtigung der Geschlechter. 

Alice Schwarzer

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FAZ: "Shitstorm gegen Alice Schwarzer"
„Die große Verschleierung. Für Integration, gegen Islamismus“, Hrsg. Alice Schwarzer (ein EMMA/KiWi-Buch, 2010). mehr

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Alice Schwarzer schreibt

Keine Waffen für Islamisten in Syrien!

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In dem FAZ-Gespräch unterscheidet Assad zwischen „politischen Oppositionellen“ im In- und Ausland einerseits und „bewaffneten Terroristen“ im Land andererseits. Mit den ersteren sei er verhandlungsbereit, die zweiteren bekämpfe er. Der Präsident weist darauf hin, dass man auch im Westen durch das eigene Land marodierende, bewaffnete Horden nicht als „Rebellen“ bezeichnen würde, sondern als Terroristen.

Vor allem aber gibt Assad ein eindeutiges Bekenntnis zum säkularen Staat, in dem der Glaube, welcher auch immer, Privatsache sei. Und er thematisiert mehrfach die Rechte der Frauen. Sicher, vermutlich sagt auch Assad nicht in allen Punkten die Wahrheit. Kriegszeiten sind Zeiten der Lügen. Auf allen Seiten. Dennoch ist seine Stellungnahme höchst bemerkenswert.

Das Interview erscheint kurz nachdem Obama – nach langem Zögern – ankündigte, die „syrischen Rebellen“ mit Waffen unterstützen zu wollen. Der amerikanische Präsident tut dies nicht zuletzt auf Drängen von Großbritannien und Frankreich, die schon lange Gewehr bei Fuß stehen. Und er befindet sich damit in Gesellschaft von Saudi-Arabien, Qatar und der Türkei.

Die Folgen westlicher Waffenlieferungen an die Assad-Gegner wären katastrophal. Schon jetzt gibt es in Syrien laut UNO mindestens 93.000 Tote, die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt. Land und Kultur sind verwüstet. Sollten die Aufständischen verstärkt bewaffnet werden, würden das Schlachten der Zivilbevölkerung und die Schlachten gegen die syrische Armee noch blutiger. Denn die steht geschlossen hinter Assad.

Doch wer sind diese Aufständischen? Die demokratisch Gesinnten haben immer eher mit Worten argumentiert als mit Waffen. Und längst machen die von Saudi-Arabien und Qatar munitionierten Gottesstaatler das Gesetz unter den Aufständischen. Sie töten „Ungläubige“ – Christen, Juden und Muslime, die keine Islamisten sind – und verwüsten das Land. Schon vor Wochen wusste der ARD Korrespondent Jörg Armbruster, der in Aleppo angeschossen war, zu berichten: In der Hauptstadt seien vier Scharia-Gerichte eingerichtet worden. Es werden seitdem nicht weniger geworden sein. Assad äußert in dem Interview den Verdacht, hinter Saudi-Arabien stünden die Ex-Kolonialmächte Frankreich und England. Sie sind in der Tat die größten Scharfmacher in diesem Konflikt.

Doch was für ein Interesse hat Europa? Einmal davon abgesehen, dass die ganze schon jetzt hochgefährdete Region kippt, wenn Syrien in die Hand der Islamisten fallen sollte, würde ein Gottesstaat Syrien zur Schleuse Richtung Europa für Dschihadisten. Assad spricht von Dschihadisten aus 29 Staaten, die zurzeit in Syrien mit kämpften – darunter laut BND über hundert Deutsche. Sie alle werden nach der Beendigung des Konfliktes zurückkommen, um in ihren Heimatländern den „heiligen Krieg“ weiterzuführen.

Und das passiert nicht zum ersten Mal. In dem von mir 2002 herausgegebenen Buch „Die Gotteskrieger – und die falsche Toleranz“ analysierte der damalige Nahost-Korrespondent Johannes von Dohnanyi die fatalen Folgen der Unterstützung der UCK im Kosovo durch den Westen. Auch die UCK-Kämpfer waren längst von Islamisten beherrscht – und das Kosovo wurde prompt zum Einfallstor der Gottesstaatler nach Europa.

Wir erinnern uns: Im Kosovo beteiligte das damals rot-grün regierte Deutschland sich erstmals nach 1945 wieder an einem Krieg. Ausschlaggebend war die Behauptung des grünen Außenministers, es gälte „ein zweite Auschwitz zu verhindern“. Was Fischer mit Massaker-Fotos begründete, die, wie wenig später öffentlich wurde, manipuliert waren.

Auch Libyen ist seit dem Sturz des Diktators in der Faust der Islamisten. Und den Mali-Konflikt gäbe es nicht, wenn Gaddafis herrenlose Söldner nicht in ihre Heimat zurückgekehrt wären. Dort machten sie prompt gemeinsame Sache mit den seit Jahren in dem Wüstendreieck von Algerien/Mali/Marokko trainierenden Islamisten.

Und auch der „arabische Frühling“ hat Tunesien wie Ägypten nicht mehr Freiheit, sondern mehr Unfreiheit und Terror gebracht. Was nicht wirklich eine Überraschung ist. Auch dort hatten die Aufständischen sehr unterschiedliche Motive und gewannen die organisierten Islamisten rasch die Oberhand. Dennoch wurden sie vom Westen fatal naiv – oder kurzsichtig berechnend? – unterstützt. Vom Irak, der ja angeblich auch chemische Massenvernichtungswaffen hatte (was sich sehr bald als Propaganda-Lüge erwies) ganz zu schweigen. 93.000 Tote, ein traumatisiertes Land und freie Bahn für die Gottesstaatler, das ist das beschämende Resultat des Irak-Krieges.

Vor diesem Hintergrund ist nur zu hoffen, dass die deutsche Kanzlerin und Außenminister Westerwelle bei ihrer besonnenen Anti-Interventionspolitik bleiben und sich nicht von dem Waffengerassel unserer Nachbarn bzw. der lauen Halbherzigkeit Amerikas anstecken lassen. Vielleicht kann Deutschland im Fall Syrien ja sogar eine mäßigende Rolle spielen – für ein kleineres Übel. Und zum Wohle von uns allen.

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Alice Schwarzer (Hg.): "Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz" (2002) und "Die große Verschleierung - für Integration, gegen Islamismus" (2011), beide bei KiWi. mehr

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