Alice Schwarzer schreibt

Strauss-Kahn weiterhin angeklagt

Artikel teilen

Gar die Vermasselung von Milliardengeschäften zwischen den Ländern? Was wiegt schwerer: Die Ehre und Unversehrtheit einer, dieser Frau – oder die Staatsräson und das Wirtschaftsinteresse? Am 18. Juli ist der nächste Gerichtstermin für DSK, dann wissen wir mehr.

Nafissatou Diallo soll gelogen haben, heißt es jetzt. Zumindest behauptet das die Verteidigung von Strauss-Kahn. Und eine Lügnerin kann ja wohl kein Vergewaltigungsopfer sein, oder?! Die renommierte New York Times hatte im Juni drei Wochen lang sieben ReporterInnen auf das Leben der jungen Frau angesetzt, Experten für Afrika und Immigration. Die haben das Leben der 32-jährigen, verwitweten Mutter aus Guinea um- und umgestülpt – und nichts gefunden. Anders die Verteidiger-Armada von Strauss-Kahn, die nun behauptet:

1. Nafissatou habe bei ihrem Asylantrag gelogen. – Ich vermute mal, 95 von 100 AsylanwärterInnen schummeln bei diesem Antrag, damit es auch wirklich klappt.

2. Sie sei „wahrscheinlich religiös verheiratet“. – Was ihrem Ansehen in der guineaischen Community schaden soll.

3. Es sei bekannt, dass die – bisher als „untadelig“ beleumundet geltende - Frau sich in dem Hotel gelegentlich prostituiere. – Wer das behauptet, wissen wir zwar bisher nicht, aber es wird sich schon jemand finden… Und die erfreuliche Nachricht ist auf jeden Fall schon mal in der Welt. Doch selbst wenn es so wäre, dass die alleinerziehende Immigrantin aus Afrika ab und an ihren vermutlich miserablen Lohn so aufbessert: Was würde das beweisen? Dass man so eine gar nicht vergewaltigen kann, weil sie ja eh eine Schlampe ist?

4. Sie habe danach mit einem Freund, der im Gefängnis ist oder war, telefoniert und von Geld gesprochen, das sie aus dem Vorfall herausholen könne. – Beweise dafür gibt es bisher nicht. Doch selbst wenn es stimmen sollte, dass Nafissatou ein Telefonat in der Art geführt hat, was bewiese das? Zunächst einmal, dass die Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden hat. Sodann, dass die Frau zum Glück lebenstüchtig genug ist, den schwerreichen Strauss-Kahn wenigstens auf Schmerzensgeld verklagen zu wollen.
Das müsste dann in einer Zivilklage geschehen, die dem Strafprozess folgt. Zur Erinnerung: Im Fall von O.J. Simpson, der beschuldigt war, seine Frau und einen Freund von ihr ermordet zu haben, wurde der Angeklagte im Strafprozess 1995 freigesprochen – und im Zivilprozess 1997 zu 33,5 Millionen US-Dollar Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen verurteilt.

Übrigens: Es geht das Gerücht, dass Oprah Winfrey ihn in ihren Sender einladen wolle, damit er endlich gesteht. Live.
Und Strauss-Kahn? Der hatte ja zunächst behauptet, er habe Nafissatou Diallo nie gesehen. Dann hatte er behauptet, er sei zur fraglichen Zeit mit seiner Tochter Camille (der Freundin von Tristane Banon) essen gewesen. Heute tischt er uns die folgende Version auf: Er habe „einvernehmlichen Sex“ mit Diallo gehabt. Die habe danach das Appartment verlassen und sei wohl nach seiner Abreise wieder in die Räume gekommen, um ihren „Lohn“ abzuholen. Aus Wut darüber, dass er nicht gezahlt habe, habe sie ihn nun angezeigt. – Monsieur Strauss-Kahn ist eben lieber ein reicher Freier, der eine arme Putzfrau um ihren „Lohn“ betrügt, als ein Vergewaltiger.

Es ist seit Jahren, ja Jahrzehnten bekannt, dass Dominique Strauss-Kahn die Frauen regelrecht anzufallen scheint. In Paris gilt schon lange die Regel für Frauen in Politik und Medien: Niemals allein mit DSK in einem Raum sein! Eine dieser Angefallenen, die heute 32-jährige Journalistin Tristane Banon, hat sich jetzt dazu durchgerungen, Anzeige zu erstatten. Sie ist eine Freundin der Strauss-Kahn-Tochter Camille und die Patentochter seiner zweiten Frau. Damals habe ihre Mutter, ebenfalls eine Freundin der Familie, sie gehindert, den brutalen Vergewaltigungsversuch anzuzeigen, bei dem er sie auf den Boden geworfen, an ihrer Wäsche gerissen und sie auch genital betatscht haben soll. Tristane: „Man machte mir deutlich, diese Geschichte würde niemals enden. Das Wort einer Journalistik-Studentin gegen das Wort von Strauss-Kahn – was war ich da schon wert.“

Seither hat Banon den Vergewaltigungsversuch immer wieder mal öffentlich erwähnt – aber niemand wollte es hören. Heute sagt die 32-Jährige: „Ich kann es nicht länger ertragen, als Lügnerin dargestellt zu werden. Acht Jahre lang habe ich diese Geschichte mit mir rumgetragen. Acht Jahre lang bin ich durch die Hölle gegangen. So lange hat Strauss-Kahn mein Leben regiert. Ich will endlich wieder in den Spiegel gucken können.“ Jetzt hat sie Anzeige erstattet. Und schon hören wir, die junge Frau aus bester Familie habe „eine schwere Kindheit“ gehabt… Dreimal dürfen wir raten, aus welcher Quelle solche Informationen kommen.

La France ist zweigeteilt in Sachen Strauss-Kahn. Da gibt es die, die um jeden Preis pro Strauss-Kahn sind und erklären, er sei einer solchen Tat „ganz und gar unfähig“, oder aber finden, so hoch müsse man so eine Affäre mit einem Zimmermädchen doch nicht hängen. Und dann gibt es die, die finden, es sei höchste Zeit, über den in Frankreich ungebrochen weiter vorherrschenden Machismus zu reden.

So forderte die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes Medef, Laurence Parisot, jüngst: „Stoppt endlich den Sexismus!“ Für sie ist „Sexismus gleich Rassismus“. Parisot berichtete jetzt öffentlich über eigene Demütigungen und sexuelle Belästigung. Die Französinnen fangen an zu reden. Und egal, wie der Prozess ausgeht, eines ist klar: Sexismus und Frauenrechte werden bei den Präsidentschaftswahlen 2012 ein zentrales Thema sein.

Alice Schwarzer

 

PS: Elisabeth Badinter, die auch von mir sehr geschätzte Philosophin und feministische Autorin, erklärte laut Süddeutsche Zeitung im französischen Rundfunk: "Wichtige Anliegen wie die Gleichstellung der Frau dürfen nicht mit Spekulationen um den Fall Strauss-Kahn in Zusammenhang gebracht werden. Das könne der Sache nur schaden." - Leider vergaß Badinter zu erwähnen, dass sie eng befreundet ist mit Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair. Sie war es, die Sinclair schon vor Jahren dringlich riet, DSK müsse eine Therapie wegen seiner Sexsucht machen, berichtete die französische Presse. Die nibelungentreue Ehefrau habe daraufhin monatelang nicht mehr mit ihrer Freundin gesprochen. Anscheinend reden die beiden wieder miteinander.

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite