Tunesien und Ägypten – Hoffnung oder Gefahr?
Deswegen kam sie fünf Jahre lang zu mir ins Exil nach Köln. Heute arbeitet sie wieder in ihrer Heimat als Berichterstatterin der algerischen Presseagentur APS.
In diesen Tagen haben wir viel über Tunesien geredet und waren nicht erstaunt, dass die Unruhen auf Ägypten übergegriffen haben. Selbstverständlich begrüßt auch Djamila, dass die Tunesier sich endlich wehren gegen das so korrupte, autoritäre Regime von Ex-Staatschef Ben Ali. Und sie versteht die Empörung vieler Ägypter. Aber gleichzeitig macht sie sich Sorgen.
Sorgen, dass die Islamisten die Gunst der Stunde nutzen und die Entwicklung in den beiden Ländern nicht etwa in Richtung Demokratie, sondern in Richtung Gottesstaat treiben könnte.
Ein erstes Indiz ist, wie viele Frauen bei den Protesten auf der Straße mit dabei sind (in Tunesien erfreulich viele, noch, in Ägypten kaum eine). Ein zweites, wie weit die Islamisten schon mitmischen. In Tunesien hatte Ben Ali bisher nicht nur das Volk, sondern auch die Islamisten unterdrückt. Doch ihr Führer, Rachid Ghannouchi, bisher in London im Exil, ist schon zurückgekehrt. In Ägypten waren die Islamisten unter Mubarak ebenfalls unerwünscht, aber immer schon stark. Schon jetzt haben sich die radikalen Muslimbrüder, die Keimzelle des Fundamentalismus, öffentlich zu Wort gemeldet, sie sind so stark, dass der integere Hoffnungsträger el Baradei Konzessionen machen muss und bereits mit ihnen verhandelt.
Es sieht so aus, dass durch den Umsturz des kleinen Tunesien der ganze Maghreb bis hin zum Nahen Osten in Bewegung gerät – und überall sind die Gottesstaatler auf dem Sprung. Die einzige Insel jenseits des Mittelmeers wäre dann noch Gaddafis autoritär regiertes Libyen – solange der Wüstenchef lebt.
Das mächtige Ägypten ist in dieser Kette ein entscheidendes Glied. Kippt das Land am Nil Richtung Gottesstaat, wird das auch eine existenzielle Bedrohung für den Nachbarn Israel.
Die Älteren werden sich an die Bilder aus dem Iran 1979 erinnern. Auch da wurde ein korrupter, autoritärer Staatschef, der Schah, von einem empörten Volk außer Landes gejagt – mit dem Resultat, dass ihm ein noch tausendfach menschenfeindlicheres Regime folgte, das das iranische Volk bis heute blutig unterdrückt.
Schauen wir also genau hin – und hoffen wir, dass es gut geht.
Zum Weiterlesen:
„Die große Verschleierung“ und „Die Gotteskrieger oder die falsche Toleranz“, beide herausgegeben von Alice Schwarzer (KiWi/EMMA-Taschenbücher). Nur noch gebraucht oder als Ebook erhältlich.