Urlaub am Mittelmeer
25. Juni 2012
Mursi hat die Wahl mit 13 gegen 12 Millionen Stimmen gewonnen. Damit ist in Ägypten zum ersten Mal seit Gründung der islamistischen Sekte 1928 ein Muslimbruder an der Macht. Der Präsident hat in Kalifornien Ingenieurwissenschaften studiert und fünf Kinder, von denen zwei die amerikanische Staatsangehörigkeit haben. Bereits im Wahlkampf hatte er einen "islamischen Staat" und die Einführung der Scharia angekündigt. Auch der Naivste weiß inzwischen, was das bedeutet.
Die vor 84 Jahren gegründeten Muslimbrüder sind die Keimzelle des internationalen politischen Islam. Eine Ironie des Schicksals will, dass sie während des Wahlkampfs in Ägypten als "gemäßigte Islamisten" galten. Neben den von Saudi-Arabien finanzierten Salafisten. Es geht eben immer noch schlimmer.
Auch die Wahl zwischen dem Muslimbruder und dem Mubarak-Mann war eine Wahl zwischen zwei Übeln - nur dass Mursi eindeutig das größere Übel ist. Seine Wahl ist der Mobilisierung der Basis durch die Fundamentalisten genau so zu verdanken wie der gefährlichen Abstinenz der Anderen.
Tausende von Islamisten und Brüdern auf dem Tahrirplatz, plus zwei verschleierte Frauen. Ist es das, was die "Rebellen" des ägyptischen Frühlings erträumt hatten? Sie werden sich jetzt auf einen Winter gefasst machen müssen. Denn dem (noch) mächtigen Hohen Militärrat wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelingen, die Machtergreifung der Muslimbrüder in Schach zu halten. Resultat: ein Bürgerkrieg und sodann der ägyptische Gottesstaat. Auch Libyen und Syrien werden wohl den Islamisten in die Fäuste fallen. Tunesien kippt gerade. Und Algerien und Marokko? Die sind in höchster Gefahr.
Wann nur werden die selbsternannten "Rebellen und Rebellinnen" - und der Westen! - endlich lernen, dass Politik nicht immer ideal sein kann, leider, sondern fast immer ein Ringen um das kleinere Übel ist?
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Editorial von Alice Schwarzer: Wieder einmal haben die Frauen sich selbst vergessen (1/2012)
Alice Schwarzer (Hrsg.): „Die große Verschleierung“ (KiWi, 9.95 €)
„Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz“ (KiWi, 9.95 €)
