Verhüllter Journalismus
Die Zeit hatte extra eine Regional-Berichterstatterin geschickt. Lokaltermin in Mainz, Montagabend, 18.30 Uhr im Frankfurter Hof, auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Das Thema lautete: "Offenes Visier in einer offenen Geselschaft! Ist die Vollverschleierung mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau vereinbar?"
Und das drei Tage nach der spektakulären Entscheidung des Verfassungsgerichts pro Lehrerinnen-Kopftuch. Klar, dass da nicht nur die regionalen Medien, sondern auch Die Zeit anreist, oder? Die ist schließlich seit langem führend an der Pro-Kopftuch-Front. Und Schwarzer an der Anti-Kopftuch-Front.
Nur Männer dürfen in alle Richtungen netzwerken
Aber nein. Es ging dem Hamburger Wochenblatt gar nicht um das Thema. Der Thrill war, dass Julia Klöckner, "die Hoffnungsreserve der CDU", eingeladen hatte. Und wen wohl? Mich! Unter anderem. Aber um "unter anderem" - den Verfassungsrichter, die Jesidin, den Grünen - ging es dem "Leitmagazin" auch nicht. Es ging ihm ausschließlich um das Duo Klöckner/Schwarzer.
Und davon hatte Die Zeit sich bei dem Fotografen darum auch ein Extrafoto von der Veranstaltung bestellt, ganz exklusiv: Klöckner Schulter an Schulter mit Schwarzer. Schauder. Sie hat es schon wieder getan - mit jemandem von der CDU geredet. Sie soll ja sogar Merkel sympathisch finden.
Da ist doch nix dabei in Zeiten der Auflösung des politischen Lagerdenkens, der großen Koalition in Berlin oder dem rotschwarzen Rathausbündnis in München? Stimmt. Aber was für alle gilt, das gilt noch lange nicht für die da, diese radikale Feministin. Die darf auf keinen Fall mit einer Konservativen reden (schon gar nicht, wenn die recht hat). Denn dieser Schulterschluss ist des Teufels, egal worum es geht. Um Sachfragen jedenfalls nicht.
Feministinnen müssen schön
in ihrer Ecke bleiben
Ob Die Zeit wohl auch angereist wäre, wenn ich, wie schon so oft in meinem Leben, mit einer SPD-Politikerin diskutiert hätte? Mit Schwesig zum Beispiel. Nicht anzunehmen. Denn da gehört unsereins ja quasi naturgegeben hin, auf Gedeih und Verderben. Das ist ja keine Nachricht. Feministinnen müssen schließlich schön in ihrer Ecke bleiben. Nur Männer dürfen netzwerken: nach links und rechts, nach oben und unten. Hauptsache, sie bleiben oder kommen an die Macht.
Aber eigentlich hätte die Frau von der Zeit sich den Abendtermin auch sparen können. Vor allem, da es am nächsten Tag, dem Tag des Redaktionsschlusses, knapp geworden sein muss.
Denn sie hat eh nichts Neues erfahren wollen, sondern nur das geschrieben, was von ihr erwartet wurde. Vermutlich noch nicht mal auf Anweisung, sondern in vorauseilendem Gehorsam. Das gewünschte Foto hat sie immerhin mitgebracht. Auf Wunsch der Zeit extra für sie posiert (war doch nett von uns) und im Blatt mit der spektakulären Fotozeile garniert: "Julia Klöckner und Alice Schwarzer sind einander gewogen" (Macht nichts, dass sie sich gar nicht kennen und in Mainz zum ersten Mal gesehen haben). Titel: "Unverhüllte Sympathie".
Da hätte es wohl treffender gehießen: "Verhüllter Journalismus". Oder noch passender: "Verschleiernder Journalismus".
Klöckner trägt "giftgrün", Schwarzer etwas "wallendes"
Warum? Weil es sich um eine rein ideologische Tendenzberichterstattung handelt, was schon an einer Kleinigkeit zu erkennen ist. "Klöckner", schreibt die Berichterstatterin, "trägt ein giftgrünes, kurzes Kleid und schwarze Stiefel mit sehr hohem Absatz. Schwarzer trägt etwas dunkles, wallendes mit sehr flachem Absatz." Denn das weiß man ja: Schwarzer trägt immer etwas dunkles, wallendes.
Doch soweit, so falsch bzw. voreingenommen. Klöckner stimmt – man hätte das Kleid allerdings auch als „grasgrün“ bezeichnen können, statt als „giftgrün“ (wessen Gift eigentlich?). Aber Schwarzer? Die trägt eine eng taillierte Samtjacke und einen ganz schmalen Plisseerock (von Miyake), dazu Stiefel mit spanischem Absatz.
Nicht so wichtig? Stimmt. Aber bezeichnend.
Alice Schwarzer