Vom brennenden Mississippi zu DSK
Endlich Gerechtigkeit. Nach 35 Jahren steht Edgar Ray Killen erneut vor Gericht. Der Ku-Klux-Klan-Chef war der Anführer der Männer, die am 21. Juni 1964 drei junge Menschenrechtler gefoltert und getötet haben: Michael Schwerner, Andrew Goodman und James Chaney, „ein Nigger, ein Jude und ein weißer Mann“, wie der Richter 1964 sagte. Ihre geschändeten Leichen fand man erst 44 Tage später. Das Massaker löste Entsetzen im ganzen Land aus und war 1988 die Vorlage für den Film „Mississippi Burning“ (mit Gene Hackman).
1964 wurde Killen freigesprochen, von einer rein weißen Jury. Jetzt, an diesem Septembertag 1999 wird das Verfahren neu eröffnet. Ein Mittäter hat den Anführer verraten. Auf der Frontseite der Lokalzeitung ist eine strahlende alte Frau zu sehen, die Witwe des Ermordeten, an ihrer Seite die Tochter. Endlich Gerechtigkeit! Auch wenn es noch weitere viereinhalb Jahre dauern wird, bis der inzwischen 80-jährige Killen wegen dreifachen Mordes verurteilt wird. Diesmal von einer Jury mit drei Schwarzen und fünf Weißen. Zu 60 Jahren Gefängnis.
An diesen Morgen am Mississippi habe ich gedacht, als ich im August 2011 die Bilder von dem strahlenden Dominique Strauss-Kahn sah, der Hand in Hand mit seiner vasallentreuen Ehefrau Anne Sinclair das New Yorker Gericht verließ. Schwere Vergewaltigung? Verfahren eingestellt. „Was nicht bedeutet, dass wir den Angeklagten für unschuldig halten“, betont die Staatsanwaltschaft. „Wir haben nur keine ausreichenden Beweise.“ Aber wer will das schon hören.
Die jubelnden Sozialisten und Sozialistinnen in Paris auf jeden Fall nicht, und auch nicht die Banker in aller Welt, die erleichtert sind, dass einem der Ihren eine solche Schmach erspart bleibt. So wie die feixenden JournalistInnen und Verteidiger in Mannheim, die so unverhohlen und schamlos triumphierten, als Jörg Kachelmann freigesprochen wurde. Auch sie interessierte die Einschränkung der Richter – „Gut möglich, dass der Angeklagte dennoch schuldig ist.“ – herzlich wenig. Freigesprochen. Also unschuldig!
Werden wir Frauen in dreißig, vierzig Jahren eine Zeitung aufschlagen, in der steht: Endlich Gerechtigkeit!? Verfahren wiedereröffnet, weil endlich einer, der es genau weiß, geredet hat?
Schön wär’s. Aber noch sind die Frauen dieser Welt weiter von der Gerechtigkeit entfernt als heutzutage die Schwarzen. Noch ist der Sexismus „normaler“ als der inzwischen zumindest theoretisch geächtete Rassismus.
Was nicht zuletzt mit der Abwesenheit eines „Wir-Gefühls“ von Frauen zu tun hat. Sie wollen nur allzu oft ihre eigene Betroffenheit als Frauen nicht sehen bzw. nicht wahrhaben. Und sie wehren sich darum auch nicht als Frauen: für sich und alle Frauen! So wie es die tapfere Nafissatou Diallo getan hat, die erklärte: „Ich kämpfe um Gerechtigkeit für mich und für alle Frauen der Welt.“ Sie ist eine Frau. Und schwarz.