Wird fürs Kopftuch bezahlt?
In einer Demokratie wie Deutschland kann Frau Yilmaz so leben. In einem von fundamentalistischen Muslimen beherrschten Land – wie Afghanistan oder Iran – wäre schon eine Scheidung gar nicht möglich bzw. würde sie zu einer Untoten oder echt Toten machen.
An diesem Abend machte ich Frau Yilmaz im Verlauf der Sendung darauf aufmerksam, dass das Kopftuch – dieses Symbol der Schriftgläubigen, die sich nach Mohammeds Worten aus dem 7. Jahrhundert richten – leider keineswegs immer so „freiwillig“ getragen würde. Und dass manchmal sogar den Eltern Geld von den Islam-Organisationen gezahlt würde, damit sie ihre Töchter verschleiert in die Schule oder an die Uni schicken. Die Deutschtürkin schien überrascht – und ich versprach ihr Beweise.
Nun stelle ich fest, dass echte „Beweise“ zu so einer Problematik fast unmöglich sind. Denn weder die islamistischen Organisationen stehen dazu, dass sie das Kopftuch bezahlen – noch brüsten sich die betroffenen Eltern damit, dass sie dafür Geld nehmen. Verständlicherweise.
Doch unter kritischen IslamwissenschaftlerInnen und SozialarbeiterInnen in den Problemvierteln ist das schon lange ein offenes Geheimnis. In Ägypten zum Beispiel, so berichtet die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer, „wird an den Universitäten zunächst mit Gruppendruck gearbeitet. Und wenn das nicht reicht, wird den Vätern Geld geboten“. Und in Bosnien, so schreibt mir der Staatsanwalt i.R. Udo Schaefer, Autor einer Einführung in die „Glaubenswelt Islam“, erhalten junge Frauen Stipendien, wenn sie sich unter den Hijab begeben und sich „islamisch verhalten“.
Für Deutschland berichtete SpiegelOnline bereits 2006, dass die vom türkischen Staat finanzierte und vom deutschen Verfassungsschutz beobachtete Milli Görüs jährlich rund 250 Studienstipendien vergeben an Frauen, die in der Türkei ja bis vor kurzem nicht mit Kopftuch studieren durften. Rund 150 dieser Türkinnen kamen ins tolerante Deutschland oder nach Österreich. Der Löwenanteil der Fördergelder aber – in der Regel pro Person 300-400 Euro im Monat – „gehe an Studenten in Deutschland, deren Stipendienzahl steige. Für März habe Milli Görüs zu einem europaweiten Studententreffen nach Hagen eingeladen. ‚Wir erwarten 1.500 Studenten überwiegend aus Deutschland – allesamt Mitglieder oder Sympathisanten’“, erklärte der Milli-Görüs-Sprecher dem Spiegel.
In dem EMMA-Buch „Die große Verschleierung“ geht es um vieles – und nicht selten um Leben und Tod. Das Kopftuch ist darum nur ein Aspekt. Aber es scheint eine wahre Obsession der Medien zu sein. Und das ist gar nicht so falsch. Denn das Kopftuch ist das Symbol, die Flagge der Islamisten. Und es ist das Zeichen für einen dramatischen Rückschritt der Emanzipation der Frauen.
Wobei selbstverständlich zu unterscheiden ist zwischen den subjektiven, psychosozialen Motiven von Frauen, ein Kopftuch zu tragen, sowie der objektiven, politischen Bedeutung, die das Kopftuch im 21. Jahrhundert hat.
Was die subjektiven Motive angeht, können sie vielfältig sein: Die romantische Suche von Entwurzelten nach einer „Identität“, ein Signal für Männer (Ich bin eine anständige Frau) oder auch die Frustration über die Entblößung der Frauen in der westlichen Welt bzw. eine Überforderung in Sachen Emanzipation. Vor allem bei Konvertitinnen scheint Letzteres öfter der Fall zu sein.
Die objektiven Motive aber sind eindeutig. Seit der Machtergreifung von Khomeini im Iran 1979, seit dem ersten „Gottesstaat“ ist das Kopftuch, genauer: der Ganzkörperschleier, das erste, was die schriftgläubigen Fundamentalisten den Frauen aufgezwungen haben. Für sie gelten nicht Rechtsstaat und Demokratie, sondern Scharia und Gottesstaat.
Jede Frau, die im 21. Jahrhundert „freiwillig“ das Kopftuch bzw. den Schleier trägt, muss sich also dieser Bedeutung bewusst sein. Ihr muss klar sein, dass sie nur in Demokratien „freiwillig“ das Kopftuch tragen kann. In den von Islamisten beherrschten Länder ist sie dazu gezwungen. Da ist das Kopftuch für Frauen eine Frage auf Leben und Tod.
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