Vom Glück sich zu prostituieren
Ich tue es mir an, weil es in diesem gottverlassenen Land kaum KritikerInnen des Systems Prostitution gibt und noch nicht einmal mehr die christlichen Parteien den Frauenkauf menschenunwürdig finden. Und Rotgrün mit ihrer fahrlässigen, von den Zuhälterlobbies inspirierten Gesetzesreform von 2001 der Verharmlosung, ja Verherrlichung der Prostitution Tür und Tor geöffnet hat: Prostituierte sind in Deutschland Freiern, Zuhältern und Menschenhändlern jetzt mehr ausgeliefert als je zuvor. Dank dieser „Reform“, angeblich zum Wohl der Prostituierten, gilt Deutschland Experten heute als „Drehscheibe des Menschenhandels“ in Europa.
Ich tue es mir an, weil zwar in ganz (West)Europa über Prostitution und Menschenwürde diskutiert wird und die EU-Politikerinnen eine Bestrafung des Frauenkaufs, also der Freier fordern („Together for a Europe free from prostitution“) - in Deutschland aber Prostitution als „Beruf wie jeder andere“ gilt. Es gibt hierzulande kaum Ausstiegshilfen für Prostituierte, dafür aber an so manchen der wenigen Anlaufstellen für Hilfe suchende Prostituierte sogar noch „(Wieder)Einstiegshilfen“. Was für ein Skandal! Das muss man sich mal vor Augen führen: Auf Staatskosten wird in Deutschland Frauen, die sich prostituiert haben und nun nicht mehr weiterwissen, „geholfen“, wieder einzusteigen in die Prostitution…
Ich tue es mir an, weil die offiziell gebilligte Existenz von Prostitution das Frauenbild aller Männer prägt; auch der Minderheit, die noch nie eine Frau gekauft hat. Wir Frauen sind für Männer das käufliche Geschlecht. Und das lernen sie nicht nur auf dem Strich und im Bordell bzw. in der „Modellwohnung“, sondern tagtäglich auch in der Werbung, in den Medien, in Kunst und Literatur.
Ich tue es mir an, weil 80-90 Prozent der Mädchen und Frauen in der Prostitution in Deutschland Ausländerinnen sind, meist aus den ärmsten Ländern, und häufig vollkommen recht- und sprachlos. Weil nur 3-5 Prozent der Prostituierten wirklich auf eigene Kosten ohne Zuhälter arbeiten. Weil drei von vier Prostituierten nur unter Drogen bzw. Alkohol die Freier bedienen können. Weil zwei von drei als Kind sexuell missbraucht wurden. Weil bis zu 66 Prozent traumatisiert sind und mit denselben Folgen zu kämpfen haben wie Folteropfer. Weil die meisten im Alter Hartz-IV-Empfängerinnen sind. Weil neun von zehn aussteigen würden – wenn sie könnten.
Ich tue es mir an, weil ich mir keine menschenwürdige Gesellschaft vorstellen kann, in der ein Mensch für ein paar Scheine das Recht hat, den Körper und die Seele eines anderen Menschen zu berühren und benutzen. Prostitution hat es schon immer gegeben? Na und. Die ersten Sklavinnen wurden zur Prostitution gezwungen. Doch auch das Sklaventum haben wir – vor noch gar nicht so langer Zeit – zu ächten begonnen. Sicher, es gibt noch immer SklavInnen in dieser Welt (nicht zuletzt die Zwangsprostituierten im Haus nebenan) – aber der aufgeklärte Teil der Welt missbilligt und bekämpft heute das Sklaventum. Dahin müssen wir endlich auch für die Prostitution kommen!
Ich tue es mir an, weil ich das ungeheure Glück habe, mich niemals prostituiert zu haben – und nicht mehr in den Spiegel gucken könnte, wenn ich mit den Prostituierten nicht solidarisch wäre.