Alice Schwarzer schreibt

Kein gleiches Unrecht für alle

Artikel teilen

A. Halten die 13 Abgeordneten der Christdemokraten, die für ein Ehegattensplitting auch in der Homo-Ehe plädieren, sich für fortschrittlich? Oder sind sie B. besonders reaktionär, weil sie das zutiefst rückschrittliche Splitting nun auch noch ausweiten wollen auf gleichgeschlechtliche Paare? Oder sind sie gar C. besonders gerissen? Nämlich in der Annahme, das Verfassungsgericht werde im Namen einer hehren Gerechtigkeit die Ungleichbehandlung von Hetero- und Homopaaren eh demnächst untersagen. Und sie, diese 13 ChristdemokratInnen, wären dann vorauseilend dafür gewesen… Sie tippen auf B? Sie haben gewonnen! Denn das Steuersplitting ist ein Unrecht, das abgeschafft gehört und nicht erweitert. Die Sozialdemokraten hatten, daran sei erinnert, die Streichung des Splittings bereits 1998 in ihrem Wahlprogramm. Doch dann kamen sie an die Regierung und interessierten sich nicht mehr für das Gedöns von gestern. Und EMMA forderte sage und schreibe bereits anno 1979 erstmals die Abschaffung des Ehegattensplittings, alarmiert von der Sozialrichterin und langjährigen Vorsitzenden des Juristinnenbundes Annelies Kohleiss, Mitglied der CDU. Seither hätte der Staat 1 Billion 50 Milliarden Euro sparen können. Damit ließe sich viel Sinnvolles machen. Doch nun soll das reaktionäre Splitting statt endlich abgeschafft auch noch auf die Homo-Ehe erweitert werden?

Wie absurd. Denn mit diesen 33 Milliarden Euro im Jahr könnte ein vernünftiger Staat ziemlich viel anfangen. Zum Beispiel die Plätze in Krippen und Kindergärten aufstocken, wie vom Gesetz gefordert, und allen Kindern gratis zur Verfügung stellen. Aber nein. Der Staat subventioniert lieber weiterhin  die Hausfrauen-Ehe, in der ein Gut- bzw. Großverdiener sein Gehalt splitten, also teilen kann und statt eines hohen einen niedrigen Steuersatz zahlt. Bis zu 14.000 Euro im Jahr kann einer damit sparen. Das sind gleich zwei 400-Euro-Jobs: Einer für die Ehefrau, einer für die Geliebte.
Die Statistik ist nie aufgestellt worden. Aber ich gehe mal davon aus, dass 80 bis 90 Prozent aller Politiker in Kabinett und Parlament vom Splitting ganz persönlich profitieren. Wohl gemerkt: die Politiker. Ohne Binnen-I. Denn die Politikerinnen haben in der Regel einen qualifiziert verdienenden Menschen an ihrer Seite oder sind alleinstehend.
Ziemlich durchsichtig also, warum an das Splitting keiner, egal ob rechts oder links, rangeht. Und warum diese Hausfrauen-Förderung den Protest nicht nur der autonomen Feministinnen, sondern auch der Frauenverbände - allen voran des Juristinnenbundes - seit Jahrzehnten locker überlebt hat.
Das Problem beim Ehegattensplitting aber sind nicht nur die aus dem Fenster geworfenen 33 Milliarden Euro, die laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung übrigens fast zur Hälfte an gänzlich kinderlose Paare gehen. Das Problem ist die Stabilisierung ungleicher Geschlechter-Verhältnisse. Denn das Splitting ist das Argument gut verdienender Ehemänner gegen die Berufstätigkeit ihrer Frauen - und für einen 24-Stunden-Service am Herrn.
„Aber Schatz, das ist doch lächerlich, dass du diesen Job machst, damit haben wir ja weniger in der Kasse, als wenn du zu Hause bleibst…“ Tja, da fällt dem Schatz gar nichts mehr ein. Und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass solche Schatzverhältnisse auch in so mancher Homo-Ehe verstärkt würden mit dem Splitting. Zumindest bei einigen Männerpaaren scheint es eine Tendenz zu der guten alten Ungleichheit zu geben.
Und die Logik der Gerechtigkeit? Auch die kann aus meiner Sicht hier nicht greifen. Ich bin selbst in meinem bisher einsamsten Kampf um Gerechtigkeit – dem für das Recht von Frauen auf freiwilligen Zutritt zur Bundeswehr – nie so weit gegangen, die Wehrpflicht für Frauen zu fordern. Auch wenn das natürlich gebetsmühlenartig über das „Flintenweib Schwarzer“ behauptet wurde von all den Friedensbewegten in den frühen 1980er Jahren. Doch es wäre einfach absurd gewesen für eine wie mich, die als Mann Kriegsdienstverweigerer wäre, nun auch noch für die Wehrpflicht für Frauen einzutreten. Das Recht auf Zugang, bis hin zur Ausbildung an den Waffen: Ja. Aber nicht die Pflicht. Und so ist es dann ja zwanzig Jahre später auch gekommen, trotz des Widerstandes, speziell in Deutschland, von rechts bis links. Allerdings musste der Europäische Gerichtshof Deutschland im Namen der Geschlechtergerechtigkeit dazu zwingen.
Zeit für eine Klage in Straßburg gegen dieses Steuerunrecht, das deutsche Ehegattensplitting? Vielleicht. Auf jeden Fall nicht Zeit für die Ausweitung des Splittings auf die Homo-Ehe, wie die Verpartnerung in gleichgeschlechtlichen Beziehungen so trefflich heißt. Denn die Gleichheit um jeden Preis kann kein Argument sein. Das Ehegattensplitting gehört abgeschafft! Und anstatt sich jetzt auch noch für seine Ausweitung stark zu machen, sollten die 13 ach so fortschrittlichen CDUlerInnen sich lieber für die Streichung stark machen. Und die Opposition sollte sich endlich darauf besinnen, was wahrer Fortschritt ist - und das auch nicht wieder vergessen, wenn sie an die Regierung kommt.

Weiterlesen
Die Verhinderer. Welche Gesetze verhindern die Gleichstellung? (EMMA 3/2011)
Gleiches Erbrecht für alle: Ja! Splitting für alle: Nein! (EMMA 4/2010)
Das so genannte Steuersplitting (EMMA 2/1979)

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite