Mein Leben in Kürze
Ich bin am 3. Dezember 1942 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Wenige Monate später wurde die Stadt bombardiert und meine Familie in ein Dorf nach Franken evakuiert, wo ich im Herbst 1948 zunächst auch eingeschult wurde. 1950 zogen wir zurück nach Wuppertal.
Meine 22-jährige unverheiratete Mutter verließ kurz nach meiner Geburt die Familie, heiratete, ließ sich wieder scheiden und hatte von da an eher den Status einer meist abwesenden älteren Schwester.
Ich wuchs bei meinen jungen Großeltern auf, die meine sozialen Eltern wurden, von mir „Mama“ und „Papa“ genannt. Wobei es innerhalb meiner Familie eine gewisse Rollenumkehr gab: Der sehr fürsorgliche und liebevolle Großvater war zuständig für meine Versorgung, die ungewöhnlich politisierte Großmutter war der intellektuelle Kopf der Familie.
Mein Leben ist früh von Brüchen und Randständigkeiten gezeichnet: als Stadtkind im Dorf; als unehelich Geborene; als Spross einer bürgerlichen Familie, die in den beiden Weltkriegen Geld und Status verloren hatte (der Großvater schlug sich als kleiner Händler durch); und als Nachkriegskind, dessen (Groß)Eltern immer entschiedene Anti-Nazis gewesen waren, und die während der Nazizeit entsprechend gehandelt hatten (Beistand für Opfer etc.). Auch nach dem Krieg stand meine Familie daneben, war enttäuscht vom Adenauerregime und der Nazi-Kontinuität in Machtpositionen. Der Horror der Nazizeit und der Holocaust waren bei uns alltägliche Themen und haben mich tief geprägt.
Wobei der Großvater durch seine Menschlichkeit beeindruckte, die Großmutter durch ihren scharfen, fast visionären politischen Durchblick sowie ihr extremes Gerechtigkeitsempfinden, für Menschen ebenso wie für Tiere und die Natur. Doch sie blieb bis zu beider Tod 1970 sprachlos verzweifelt über ihre Hausfrauenexistenz. Und empört, dass „nur die Brüder studieren durften“.
Meine Schulzeit verlief relativ chaotisch, was vor allem mit der familiären Situation zu tun hatte, die, wie in vielen Familien, nicht ohne Anspannungen zwischen dem Paar war. Es war alles andere als einfach. Aber ich wurde von beiden auf ihre Art geliebt und geachtet und wuchs völlig gewaltfrei auf. Übrigens: Der erste – und letzte – Verein, in dem ich jemals Mitglied war, war der „Verein gegen Missbrauch der Tiere“.
Mit 16 habe ich die Handelsschule abgeschlossen und war bis 1963 in diversen Büros tätig: im Autoersatzhandel in Wuppertal, im Marktforschungsinstitut in Düsseldorf, im Verlag in München. Was mich zunehmend frustrierte. Mit 21 fasste ich den Entschluss, Journalistin zu werden und ging zunächst für zwei Jahre nach Paris, wo ich auf der Alliance Française Französisch studiert und mich mit diversen Jobs durchschlug: von Putzstellen über Babysitting bis zu Tippjobs bei deutschen Emigranten.
1966/67 volontierte ich bei den Düsseldorfer Nachrichten, arbeitete dort noch einige Monate als Redakteurin und ging dann als Reporterin zu Film und Frau in Hamburg (mehr). Dort hielt es mich nur wenige Monate, da mir die Arbeit zu unpolitisch war.
1969 begann ich als Reporterin bei Pardon, dem satirischen Magazin, das damals zusammen mit konkret als eine der beiden Foren der Apo (Außerparlamentarische Opposition) galt. Ich war in der Redaktion der erste weibliche Journalist und als Nachfolgerin von Günter Wallraff nun zuständig für Rollenreportagen: von der Arbeiterin am Fließband bei VDO bis zur Urlauberin im Spaß-Club Méditerranée in Agadir.
Doch die Strukturen in dem linken Blatt waren für Frauen innerhalb der Redaktion zwar libertär, aber gleichzeitig reaktionär. Ich verließ Pardon nach einem knappen Jahr und ging Ende 1969 als freie politische Korrespondentin nach Paris. Dort spezialisierte ich mich in dem brach liegenden Feld der kulturellen und politischen Folgen des Barrikaden-Mai 68. Ich arbeitete nun für Funk (vor allem WDR), Fernsehen und einige Print-Medien (darunter sporadisch auch für Stern, Spiegel, Neues Forum und Vrij Nederland).
Ab Herbst 1970 wurde ich eine der Pionierinnen, die die Pariser Frauenbewegung (MLF – Mouvement pour la libération des femmes) initiierten. Die Zeit war reif. Wir hörten von Women’s lib in Amerika, und auch die Dollen Minnas in Holland machten schon von sich reden. Ich hatte „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir gelesen und den „Weiblichkeitswahn“ von Betty Friedan. Und die 68er wollten die ganze Welt befreien, bis hin zum letzten bolivianischen Bauern – nur ihre eigenen Freundinnen und Frauen sollten weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und die Kinder versorgen. Frauenrevolte lag in der Luft.
Eine erste öffentliche Aktion: Die Niederlegung eines Kranzes am Arc de Triomphe für „die unbekannte Frau des unbekannten Soldaten“ am 26. August 1970; ein erster feministischer Text: „Das Jahr Null“ im Idiot International – und wir suchten und fanden uns. Mein feministisches Engagement in Frankreich lief von nun an sozusagen parallel zu meinen beruflichen Aktivitäten für Deutschland. Als der damalige WDR-Studiochef in Paris dies zum ersten Mal bemerkte, lautete sein erstaunter Kommentar: „Du hast das doch nicht nötig!“ So war das also schon damals.
Simone de Beauvoir stieß bald zu uns jungen Feministinnen. Mit ihr führte ich 30 Jahre nach Erscheinen von „Das andere Geschlecht“ nun eine Serie von Interviews, zwischen 1971 und 1982, in denen die bedeutendste feministische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts ihr aktives Engagement in der Neuen Frauenbewegung begründete und über ihr eigenes Leben reflektierte. (Alice Schwarzer/Simone de Beauvoir: "Weggefährtinnen im Gespräch") Die Gespräche erschienen weltweit in Verlagen oder als Raubdrucke, und beeinflussten die Frauenbewegungen. Mit Beauvoir und Sartre blieb ich bis zu deren Tod befreundet.
Im April 1971 initiierten wir MLF-Frauen die berühmt gewordene Selbstbezichtigung der 343, die im Nouvel Observateur veröffentlicht wurden und provokant erklärten: Ich habe abgetrieben – und ich fordere das Recht dazu für alle Frauen! Unter den 343 waren auch einige bekannte Intellektuelle und Stars, wie Catherine Deneuve oder Simone de Beauvoir.
Ich exportierte die Idee nach Deutschland. Dort gab es zu dem Zeitpunkt weder eine Frauenbewegung und noch massiven Protest gegen den § 218. Es gelang mir trotzdem, 374 Unterschriften zusammenzukriegen: bei Freundinnen, Kolleginnen, Hausfrauen, Studentinnen und einem Dutzend Prominenter (darunter Romy Schneider und Senta Berger), sowie mit Hilfe von zwei linken Frauengruppen.
Das provokante Bekenntnis wurde am 6. Juni 1971 im Stern veröffentlicht und löste eine Lawine des Protestes gegen das Abtreibungsverbot aus. Zehntausende Unterschriften folgten: gesammelt im Wohnviertel, an Universitäten, in Büros. Das Schweigen war gebrochen. Nun redeten Frauen über sich, ihre Ängste und Träume. Das Bekenntnis der 374 wurde zum Auslöser endlich auch einer Frauenbewegung in Deutschland.
Ich hatte in meinem Bericht über die Aktion für den Stern bewusst meine initiierende Rolle verschleiert. Das war damals so, da handelte man nicht als Individuum, sondern als Kollektiv, bzw. im Namen desselben. Und ich verstand mich in dem Fall nicht als Journalistin – ich hatte nur meine journalistischen Kenntnisse für die Sache genutzt – sondern als Mittlerin zwischen der französischen Frauenbewegung und den deutschen Frauen.
Nach getaner Sache kehrte ich nach Paris zurück, wo meine Arbeit und mein Leben auf mich warteten. Von dort aus beobachtete ich, wie sich die Debatte um den § 218 in Deutschland wieder verengte: Weg von der existenziellen Bedeutung für die Frauen und hin zur Kirche und Bevölkerungspolitikern. Und ich musste feststellen, dass man uns engagierte Journalistinnen plötzlich nicht mehr über das Thema schreiben ließ. Argument: Ihr seid zu betroffen. Die einst so verachteten „Frauenthemen“ wurden nun hochwichtige Männerthemen.
Also entschloss ich mich, zum Thema Abtreibung mein erstes Buch zu machen. Es erschien im Herbst 1971 in der edition suhrkamp und hatte den Titel: „Frauen gegen den § 218“. Ich arbeitete dabei erstmals mit der, später auch akademisch häufiger angewandten, Methode der qualitativ-repräsentativen Auswahl von Frauen; in dem Fall 18, deren Berichte ich zum Monolog verdichtete; begleitet von einem politischen Essay. In dieses erste Buch nahm ich bewusst einen Kollektivtext der „Sozialistischen Arbeitsgruppe zur Befreiung der Frau – Aktion §218“ aus München mit auf, um die Breite des Protests zu betonen.
In meinem nächsten Buch, das 1973 später ebenfalls in der edition suhrkamp erschien – während ich weiterhin in Paris lebte – ging es um das noch immer hochaktuelle Thema der Vereinbarkeit der Berufsarbeit von Frauen mit ihren Familienpflichten sowie ihrem Selbstverständnis als Frauen. Dazu sprach ich diesmal mit 29 Frauen: von der Supermarktkassiererin in Wuppertal und Friseurin bis zur Filmemacherin und Stripteasetänzerin in Paris. Es waren diese Gespräche mit den Frauen, die mich radikalisierten. Da taten sich plötzlich Abgründe für mich auf. So groß hatte ich mir die Ohnmacht und Verzweiflung der Frauen nicht vorgestellt.
Für mein zweites Buch übersetzte ich Susan Sontags „Reflektionen über die Befreiung der Frau“ aus den Temps Modernes; vermutlich der erste Text von ihr, der auf Deutsch erschien. Und ich veröffentlichte im Anhang eine Liste aller existierenden Frauengruppen, die sich inzwischen in Deutschland formiert hatten. 44 insgesamt. So hielt ich es auch in meinen folgenden Büchern, bestrebt, so zur Bekanntheit der Frauengruppen und Verbreiterung der Frauenbewegung beizutragen.
Ich studierte in den Jahren 1970 bis 1973 an der „roten“ Pariser Fakultät Vincennes Psychologie und Soziologie, Neben meiner Arbeit als Korrespondentin und der Veröffentlichung der Bücherunter anderem übrigens bei Michel Foucault (bei dem ich den Kurs „Psychoanalyse und Marxismus“ belegt hatte).
1974 ging ich zurück nach Deutschland, zunächst nach West-Berlin. Von da aus übernahm ich 1974/75 einen Lehrauftrag an der soziologischen Fakultät Münster, machte mehrere große Funkfeatures über die Neue Frauenbewegung oder die zersplitterte westdeutsche Linke und bereitete mein drittes Buch vor.
Der Kern meines politischen Denkens war inzwischen klar: Ich war und bin für eine uneingeschränkte Chancengleichheit von Frauen und Männern und gegen jegliche Hierarchie und Festlegung von Rollen. Damit stehe ich in der Tradition der heute so genannten „Gleichheitsfeministinnen“ (die in der Ersten Frauenbewegung „die Radikalen“ hießen), also der Universalistinnen – im Gegensatz zu den Differenzialistinnen).
Was ist der Unterschied? Die Differenzialistinnen kultivieren den Unterschied: Je nach Kultur, Glaube oder Geschlecht sind Menschen eben „anders“ von Geburt oder durch irreversible Prägungen bzw. Überzeugungen und gelten für sie unterschiedliche Maßstäbe. Die UniversalistInnen hingegen sehen zwar die real existierenden Unterschiede, gehen aber von einer grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen aus und fordern gleiche Chancen und Menschenrechte für alle.
Das rigide politische Klima in Deutschland, auf das ich in dem von der Mauer umschlossenen Westberlin stieß, versetzte mir einen regelrechten Kulturschock. Ich war die sehr kreative, eher anarchisch strukturierte Pariser Frauenbewegung gewohnt. In der französischen Frauenbewegung war der Regelbruch eine Selbstverständlichkeit gewesen (so diese Regeln für Frauen einengend waren). In Westdeutschland herrschten Bürokratismus und Geschäftsordnungen, Dogmatismus und Denunziantentum auch in den Frauengruppen. Und die Frauenzentren zerfleischten sich zwischen hie Feministinnen und da linken Frauen, die nicht selten aus den verschiedenen K(ommunismus)Gruppen in die Frauenbewegung geschickt worden waren, um diese zu unterwandern. So manches davon habe auch ich allerdings erst im Nachhinein durchschaut. Leider.
In Deutschland konnte und wollte ich nun nicht länger meine Arbeit als Journalistin und mein Engagement als Feministin so strikt trennen. Am 6. Februar 1975 wurde im 3. Programm des WDR mein 45-Minuten-Streitgespräch mit Esther Vilar ausgestrahlt. Zu der Zeit war Vilar mit ihrem Buch „Der dressierte Mann“ von den Medien zur exemplarischen Anti-Feministin hochstilisiert worden (Motto: Haha, auch die Frauen sind sich nicht einig).
Ich verzichtete bei diesem Streitgespräch mit Vilar bewusst auf alle journalistischen Spielregeln und sprach als Betroffene: als Frau, die von Vilars Thesen vorgeführt worden war. Es war dieses Gespräch, das mich schlagartig bekannt machte und zur Parade-Feministin. Die Bild-Zeitung titelte auf Seite eins mit der „Hexe mit dem stechenden Blick“ und die TV-Zeitschrift Gong schrieb: „Die Männer stimmten für Esther – die Frauen für Alice.“ (mehr in "Alice im Männerland" )
Im September 1975, erschien bei Fischer „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“. In diesem Buch steht die Rolle von Liebe und Sexualität bei der (Selbst)Unterdrückung der Frauen im Mittelpunkt. Diesmal befragte ich 17 Frauen, wieder in unterschiedlichen Lebenslagen.
Der Identifikationseffekt war weithaus höher als erhofft: Das Buch wurde aus dem Stand zum Bestseller und ist seither ein bis heute immer wieder neu aufgelegter Longseller. Es wurde in zwölf Sprachen übersetzt und erschien damals u.a. in Japan und Brasilien, zuletzt 2001 in Südkorea. Ich begriff: Die von mir im „Kleinen Unterschied“ analysierte Problematik ist universell.
Aber der "Kleine Unterschied" brachte mir nicht nur Freude, sondern auch Stress. Nun war ich in Deutschland endgültig DAS Symbol für die Emanzipation der Frauen. Teile der Frauenbewegung waren sauer auf den „Star“ oder ganz einfach politisch anderer Meinung, eben Linke oder Differenzialistinnen (was allerdings nicht thematisiert wurde). Und die Medien eröffneten eine regelrechte Hexenjagd.
Im Juli 1976 schrieb Christian Schulz-Gerstein in der Zeit unter dem Titel „Alice im Staate der Männer“: „Ein Ende der Beschimpfungen, die so offenkundig kein anderes Ziel haben als das, die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer so lange zu demütigen, bis sie es endlich gefressen hat, dass sie ihre Schnauze halten soll, ein Ende dieser bisher längsten und perfidesten journalistischen Menschenjagd in der Geschichte der Bundesrepublik ist nicht abzusehen. Denn Alice Schwarzer hat immer noch nicht abgeschworen.“
Gleichzeitig jedoch gab es von Anfang an auch viel Bestätigung, von der Mehrheit der Frauen ebenso wie von einer Minderheit der Männer. Eine zunehmende Kluft zwischen der Rezeption der Menschen und der Medien tat sich auf, wobei vor allem letztere Stammtischniveau hatten. Wie interessiert und betroffen hingegen viele Menschen waren, erlebte ich auf den dem „Kleinen Unterschied“ folgenden zahlreichen Veranstaltungen in Bürgersälen wie Hörsälen. Die informativste Reportage darüber veröffentlichte das Zeit-Magazin am 12.12.1975.
Direkt nach dem „Kleinen Unterschied“ begann ich mit der Vorbereitung einer unabhängigen feministischen Zeitschrift, die ich seit 1972/73 im Visier hatte: als der Boykott engagierter Journalistinnen in den Medien immer härter wurde. Meinem Aufruf „an alle Frauen“ im Frühling 1976, arg naiv geschickt an alle Frauenzentren, folgte ein Vorbereitungstreffen im Sommer 1976 und eine Welle von Intrigen gegen EMMA aus den Reihen der Frauenbewegung noch vor Erscheinen der ersten Ausgabe.
Für EMMA zog ich von Berlin nach Köln. Die erste Ausgabe erschien am 26. Januar 1977, Startauflage 100.000 – weitere 100.000 wurden in der ersten Woche nachgedruckt, weil die Nachfrage so groß war. Zur Klarstellung: Finanziert hatte ich EMMA mit 250.000 DM vom „Kleinen Unterschied“ und zwei Krediten von Mitarbeiterinnen von je 10.000 DM (übrigens ungefragt zurückgezahlt mit 10 Prozent Zinsen nach einem Jahr).
Bei Erscheinen der ersten EMMA schlugen die Wellen mindestens noch einmal so hoch wie beim Erscheinen vom „Kleinen Unterschied“. Doch gerade die hämischen Reaktionen waren die beste Werbung für EMMA (für andere Werbung hatte EMMA sowieso nie Geld). EMMA erschien seither 16 Jahre lang monatlich, 17 Jahre zweimonatlich – und seit Anfang 2010 dreimonatlich, aber in anderthalbfachem Umfang, bei gleichzeitig aktualisiertem Online-Auftritt. mehr über EMMAs Geschichte
Anfang der 1980er Jahre gehörte ich u.a. zusammen mit Margarete Mitscherlich und Ernest Mandel zu den GründerInnen des Instituts für Sozialforschung in Hamburg von Jan Philipp Reemtsma. Er war es dann auch, der 1983 eine Anschubfinanzierung für die ersten 20 Jahre des Feministischen Archivs gab, dessen Initiatorin und Vorstandsvorsitzende ich bis heute bin. Das Archiv heißt seit 1994 FrauenMediaTurm und residiert im Bayenturm zu Köln.
Solange EMMA monatlich erschien, hatte ich nicht den Atem, nebenher weiter Bücher zu schreiben. Ich habe in den Jahren nur die Chronik der ersten zehn Jahre der Frauenbewegung geschrieben: „So fing es an“ (eine EMMA-Serie, die dann auch als Buch erschien.) Und es ist kein Zufall, dass ich als Buchautorin erst wieder aktiv wurde, als EMMA ab 1993 zweimonatlich erschien.
Das erste Buch war eine Fallstudie über „Die tödliche Liebe“ von Petra Kelly und Gert Bastian. Die beiden (von der Partei ausgemusterten) Grünen waren eines Tages tot zu Hause aufgefunden worden und der Polizeibericht bewies rasch: Er hatte sie im Schlaf erschossen und sich dann selber gerichtet.
Ich schrieb dieses Buch, wie auch spätere Biografien, nach der Faction-Methode, das heißt: journalistisch recherchiert und literarisch erzählt. Alle Fakten sind, wie auch in meinen Biografien, belegt. Was im Fall von Kelly/Bastian vor allem die Grünen – die in dem Buch wg. Doppelmoral nicht sehr gut wegkommen - nicht hindern konnte, einfach zu behaupten, vieles sei falsch. Da nutzte es auch nicht, dass die Witwe von Bastian, Charlotte, widersprach. Denn es ging bei der Debatte nicht um die Wahrheit, sondern um Politik.
In der Schreibtradition der Faction folgten 1996 und 1998 die biografischen Essays über Marion Gräfin Dönhoff und Romy Schneider. Beide Biografien sind seither Longseller und zuletzt 2008 aktualisiert wieder aufgelegt. Es geht darin um weibliche Lebenslagen und Rollenbruch ebenso wie um ein Stück deutscher Geschichte.
Gleichzeitig schrieb ich wieder größere politische Essays, vom „Großen Unterschied“ (2000), 25 Jahre nach dem kleinen, über „Alice im Männerland“ (2002) bis hin zu „Die Antwort“ (2007). Vor allem in den Essays zum Beginn des 21. Jahrhunderts geht es mir nicht nur um aktuelle Frauenfragen, sondern auch um die Sicherung und Vermittlung von bereits gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen, kurzum: um unsere Geschichte und den Brückenschlag zwischen den Generationen.
Die Generationenbrücke habe ich für mein eigenes Leben mit dem Briefebuch „Liebe Alice! Liebe Barbara!“ (2005) geschlagen (Foto links: Barbara und ich im Alter von 19 Jahren). Es ist mein bisher intimstes und einziges autobiografisches Buch, bestehend aus einer Korrespondenz, die ich 2003/2004 rückblickend mit meiner wiederentdeckten Jugendfreundin Barbara geführt habe: über unser Leben zwischen 15 und 21. Es hat mir manchmal ein schweres Herz, aber auch einen großen Spaß gemacht, zurückzublicken in diese Zeit – und ich war selber überrascht, in wie vielem unsere damaligen Probleme, Hoffnungen und Träume in den 1950er und 1960er Jahren denen der jungen Frauen von heute gleichen.
Im Fernsehen bin ich seit EMMA vorwiegend als Gast – und nicht selten werden die Sendungen Aufreger für die ganze Nation (wie meine Konfrontation in „Freitagnacht“ mit Klaus Löwitsch, 1988, (mehr darüber in "Alice im Männerland"), oder meine Begegnung mit Verona Feldbusch, bei Kerner 2001).
Zwischen Januar 1992 und Februar 1993 habe ich mir dann doch noch mal die Zeit für eine eigene Fernsehsendung als Moderatorin genommen: „Zeil um zehn“, im Hessischen Rundfunk. Alle zwei Wochen anderthalb Stunden. Die immer live aus einer Hotellobby gesendeten und oft sehr aufregenden Sendungen wurden von den ZuschauerInnen in Hessen oft tagelang leidenschaftlich diskutiert.
Im Frühling 2009 habe ich eine Gastprofessur und eine Dozentur in Wien angenommen: die Gastprofessur an der Kunsthochschule Die Angewandte und die Herzl-Dozentur bei den Publizisten. Das Interesse war groß und auch mir hat es Spaß gemacht. Nicht zuletzt, weil ich im deutschsprachigen Ausland etwas weniger von den hartnäckig andauernden guten alten Klischees über „die Feministin“ eingeengt bin als in meiner Heimat.
Die ökonomisch und politisch völlig unabhängige EMMA mache ich nun als Verlegerin und Chefredakteurin seit 1977. Als Autorin habe ich bisher 25 Bücher veröffentlicht, als Herausgeberin 17.
Aber keine Angst: Ich habe weiterhin gleichzeitig Zeit für die Liebe und das Leben, für Kino, Ausstellungen, Restaurants oder die Wochenenden auf dem Land. Denn obwohl ich durch und durch Städterin bin – und am liebsten in Köln, Berlin und Paris gleichzeitig wohnen würde – liebe ich auch das Leben in meinem Dorf, mit meinen total normalen Nachbarn und den Schwärmen von Kindern und Jugendlichen, für die ich „die Äliss“ bin.