Keine Waffen für Islamisten in Syrien!
In dem FAZ-Gespräch unterscheidet Assad zwischen „politischen Oppositionellen“ im In- und Ausland einerseits und „bewaffneten Terroristen“ im Land andererseits. Mit den ersteren sei er verhandlungsbereit, die zweiteren bekämpfe er. Der Präsident weist darauf hin, dass man auch im Westen durch das eigene Land marodierende, bewaffnete Horden nicht als „Rebellen“ bezeichnen würde, sondern als Terroristen.
Vor allem aber gibt Assad ein eindeutiges Bekenntnis zum säkularen Staat, in dem der Glaube, welcher auch immer, Privatsache sei. Und er thematisiert mehrfach die Rechte der Frauen. Sicher, vermutlich sagt auch Assad nicht in allen Punkten die Wahrheit. Kriegszeiten sind Zeiten der Lügen. Auf allen Seiten. Dennoch ist seine Stellungnahme höchst bemerkenswert.
Das Interview erscheint kurz nachdem Obama – nach langem Zögern – ankündigte, die „syrischen Rebellen“ mit Waffen unterstützen zu wollen. Der amerikanische Präsident tut dies nicht zuletzt auf Drängen von Großbritannien und Frankreich, die schon lange Gewehr bei Fuß stehen. Und er befindet sich damit in Gesellschaft von Saudi-Arabien, Qatar und der Türkei.
Die Folgen westlicher Waffenlieferungen an die Assad-Gegner wären katastrophal. Schon jetzt gibt es in Syrien laut UNO mindestens 93.000 Tote, die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt. Land und Kultur sind verwüstet. Sollten die Aufständischen verstärkt bewaffnet werden, würden das Schlachten der Zivilbevölkerung und die Schlachten gegen die syrische Armee noch blutiger. Denn die steht geschlossen hinter Assad.
Doch wer sind diese Aufständischen? Die demokratisch Gesinnten haben immer eher mit Worten argumentiert als mit Waffen. Und längst machen die von Saudi-Arabien und Qatar munitionierten Gottesstaatler das Gesetz unter den Aufständischen. Sie töten „Ungläubige“ – Christen, Juden und Muslime, die keine Islamisten sind – und verwüsten das Land. Schon vor Wochen wusste der ARD Korrespondent Jörg Armbruster, der in Aleppo angeschossen war, zu berichten: In der Hauptstadt seien vier Scharia-Gerichte eingerichtet worden. Es werden seitdem nicht weniger geworden sein. Assad äußert in dem Interview den Verdacht, hinter Saudi-Arabien stünden die Ex-Kolonialmächte Frankreich und England. Sie sind in der Tat die größten Scharfmacher in diesem Konflikt.
Doch was für ein Interesse hat Europa? Einmal davon abgesehen, dass die ganze schon jetzt hochgefährdete Region kippt, wenn Syrien in die Hand der Islamisten fallen sollte, würde ein Gottesstaat Syrien zur Schleuse Richtung Europa für Dschihadisten. Assad spricht von Dschihadisten aus 29 Staaten, die zurzeit in Syrien mit kämpften – darunter laut BND über hundert Deutsche. Sie alle werden nach der Beendigung des Konfliktes zurückkommen, um in ihren Heimatländern den „heiligen Krieg“ weiterzuführen.
Und das passiert nicht zum ersten Mal. In dem von mir 2002 herausgegebenen Buch „Die Gotteskrieger – und die falsche Toleranz“ analysierte der damalige Nahost-Korrespondent Johannes von Dohnanyi die fatalen Folgen der Unterstützung der UCK im Kosovo durch den Westen. Auch die UCK-Kämpfer waren längst von Islamisten beherrscht – und das Kosovo wurde prompt zum Einfallstor der Gottesstaatler nach Europa.
Wir erinnern uns: Im Kosovo beteiligte das damals rot-grün regierte Deutschland sich erstmals nach 1945 wieder an einem Krieg. Ausschlaggebend war die Behauptung des grünen Außenministers, es gälte „ein zweite Auschwitz zu verhindern“. Was Fischer mit Massaker-Fotos begründete, die, wie wenig später öffentlich wurde, manipuliert waren.
Auch Libyen ist seit dem Sturz des Diktators in der Faust der Islamisten. Und den Mali-Konflikt gäbe es nicht, wenn Gaddafis herrenlose Söldner nicht in ihre Heimat zurückgekehrt wären. Dort machten sie prompt gemeinsame Sache mit den seit Jahren in dem Wüstendreieck von Algerien/Mali/Marokko trainierenden Islamisten.
Und auch der „arabische Frühling“ hat Tunesien wie Ägypten nicht mehr Freiheit, sondern mehr Unfreiheit und Terror gebracht. Was nicht wirklich eine Überraschung ist. Auch dort hatten die Aufständischen sehr unterschiedliche Motive und gewannen die organisierten Islamisten rasch die Oberhand. Dennoch wurden sie vom Westen fatal naiv – oder kurzsichtig berechnend? – unterstützt. Vom Irak, der ja angeblich auch chemische Massenvernichtungswaffen hatte (was sich sehr bald als Propaganda-Lüge erwies) ganz zu schweigen. 93.000 Tote, ein traumatisiertes Land und freie Bahn für die Gottesstaatler, das ist das beschämende Resultat des Irak-Krieges.
Vor diesem Hintergrund ist nur zu hoffen, dass die deutsche Kanzlerin und Außenminister Westerwelle bei ihrer besonnenen Anti-Interventionspolitik bleiben und sich nicht von dem Waffengerassel unserer Nachbarn bzw. der lauen Halbherzigkeit Amerikas anstecken lassen. Vielleicht kann Deutschland im Fall Syrien ja sogar eine mäßigende Rolle spielen – für ein kleineres Übel. Und zum Wohle von uns allen.
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Alice Schwarzer (Hg.): "Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz" (2002) und "Die große Verschleierung - für Integration, gegen Islamismus" (2011), beide bei KiWi. mehr