"Jude, Jude, feiges Schwein..."
In meiner Heimatstadt Wuppertal gab es vor ein paar Tagen einen Brandanschlag auf die Synagoge. Und in Paris konnten Gläubige über mehrere Stunden ihre Synagoge nicht verlassen, weil vor der Tür Araber mit Gewalt drohten. - Was das mit der Politik Israels zu tun hat? Nichts? Nein: viel. Aber anders als gemeinhin gedacht wird.
Israel ist gespalten. Viele Israelis kritisieren seit langem die Politik der eisernen Faust, die in ihrem Land regiert. Gleichzeitig hoffen sie aus tiefstem Herzen, dass Israel weiter bestehen kann - aus ihrer Sicht am besten als Doppelstaat: ein jüdischer und ein palästinensischer. Oder, was kurzfristig eine Utopie ist: als Staat, in dem für beide Platz wäre, für Juden wie Palästinenser.
Und die Millionen Juden außerhalb Israels, die den Holocaust überlebt haben und deren Kinder und Kindeskinder in Berlin oder Paris oder New York geboren sind? Denen geht es oft nicht anders: Sie verfluchen die Falken in der israelischen Regierung und träumen vom Frieden an diesem Ort, der der einzige auf der Welt ist, an dem Juden keine Juden sind, sondern Herren im eigenen Land.
Eine Politik von Hardlinern, die immer weiter Öl ins Feuer gießt
Darum geht es: Die israelische Politik ist keine jüdische Politik, sondern die Politik von Hardlinern, die immer weiter Öl ins Feuer gießen. Genau wie die palästinensische Politik keine Politik aller Menschen ist, die im Gazastreifen leben, sondern die der Hardliner der islamistischen Hamas, die immer weiter Öl ins Feuer gießen.
Solange die Fanatiker auf beiden Seiten das Sagen haben, kann es in und um Israel keinen Frieden geben. Und solange die Antisemiten auf dieser Welt Juden verprügeln oder verbrennen wollen, weil sie Juden sind, werden die Hardliner in Israel Zustimmung finden für ihre Politik-der-eisernen-Faust.
Es sind die Antisemiten in Berlin, Wuppertal oder Paris, die die eigentlich Verantwortlichen sind für die Eskalation. Das sollten wir Nicht-Juden uns klar machen.
Alice Schwarzer