Frauenmacht & Männergewalt
18. Juli. Im idyllischen fränkischen Ochsenfurt verlässt der vorgeblich 17-jährige Afghane Riaz Khan Ahmadzai das Haus seiner Pflegeeltern, wo er seit zwei Wochen lebt. Er nimmt eine Axt und ein Messer mit, steigt in den Zug nach Würzburg und attackiert im Abteil vier Menschen, denen er unter Allahu-Akbar-Rufen mit dem Beil auf den Kopf hackt. Auf der Flucht schlägt er einer 51-jährigen Spaziergängerin das Beil ins Gesicht mit den Worten: „Ich mach dich fertig, du Schlampe!“ Er wird von der Polizei erschossen.
22. Juli. In München ballert der 18-jährige David S., ein in Deutschland geborenes Kind von Iranern, in einem McDonald und dem daneben liegenden Einkaufszentrum des Olympiaviertels in Video-Spiel-Manier um sich. Am Ende werden neun Tote da liegen, überwiegend Minderjährige, und ein Selbstmörder.
24. Juli. In Reutlingen ersticht am Nachmittag ein 21-jähriger Syrer mit dem Dönermesser eine 45-jährige Polin in dem Imbiss, in dem beide arbeiteten. Auf der Flucht verletzt er wahllos fünf weitere Menschen schwer. Er wird von einem Autofahrer gestoppt, der ihn anfährt, um ihn tatunfähig zu machen. Er überlebt.
24. Juli. In Ansbach zündet Mohammad, Syrer, gegen 22 Uhr einen in seinem Rucksack verborgenen Sprengsatz, der Dutzende Menschen hätte töten können. Nur weil er keine Eintrittskarte hatte, war er nicht auf das Festivalgelände gekommen, auf dem rund 2000 Menschen feierten, sondern am Eingang geblieben. Der Mann selber wurde von dem Sprengsatz getötet, zwölf Menschen wurden verletzt, drei von ihnen schwer.
Islamismus ist
keine Religion
sondern eine
Ideologie
Der Syrer in Ansbach hatte vor zwei Jahren Asyl in Deutschland beantragt, was vor einem Jahr abgelehnt worden war. Er hatte einen „Duldungsstatus“, da in Bürgerkriegsländer nicht abgeschoben werden darf, und er war schon mehrmals „strafrechtlich in Erscheinung getreten“, wegen Drogendelikten und Nötigung. Er wurde allerdings von einem Mitarbeiter des Sozialamtes als "freundlich, unauffällig und nett" geschildert.
Der Syrer in Reutlingen soll Mohamed heißen. Er habe mit der getöteten Frau in demselben Imbiss gearbeitet, wo er vor ein paar Wochen einen Job bekam. Die beiden sollen eine Beziehung gehabt, bzw. er soll sich für sie interessiert haben. In dem Restaurant hatte Mohamed „einen guten Eindruck“ gemacht.
Bei David S. in München lag, vier Tage nach dem Attentat von Ochsenfurt, zunächst der Verdacht auf einen islamistischen Hintergrund nahe. Plan A trat in Aktion: Stilllegung aller öffentlichen Verkehrsmittel, breite Mobilisierung von Polizei und GSG9, Warnung an die Bevölkerung. Doch nach wenigen Stunden war klar: Der Täter war ein Einzeltäter und sein Vorbild war nicht der Islamische Staat, sondern waren so genannte Ego-Shooter wie „Counterstrike“, sowie der Amokläufer von Winnenden (Wo der 17-jährige Schüler Tim Kretschmer acht Mitschülerinnen, einen Mitschüler und drei Lehrerinnen erschossen hatte). Er hatte die Tat seit einem Jahr vorbereitet.
Warum ist
Ochsenfurt
beunruhigender
als Paris und Nizza?
Und Riaz Khan Ahmadzai? Die Folgen seiner Tat sind zwar Schwerstverletzte, aber keine Toten. Trotzdem ist er der vielleicht beunruhigendste Täter von allen. Der angeblich heute 17-Jährige war vor einem Jahr nach Deutschland gekommen. Seine Angaben sind bis zuletzt nie überprüft worden. In Ochsenfurt, das als vorbildlich gilt für seine einfühlsame Flüchtlingsarbeit, lebte er zunächst im Kolpinghaus, machte ein Praktikum in einer Bäckerei und hatte eine Lehrstelle in Aussicht. Vor zwei Wochen zog er zu einer Pflegefamilie.
Im Haus dieser Pflegefamilie, in seinem Zimmer, hat Riaz das Bekennervideo aufgenommen, das wenige Stunden nach seiner Tat von einem IS-nahen Sender verbreitet und rasch als authentisch identifiziert wurde. Der Text, den der Täter mit einem Messer in der Hand aufgezeichnet hatte (siehe unten), weist den jungen Mann als islamistischen Vollprofi aus. Sein Bekenntnis ist von alttestamentarischer Wucht und strategisch auf den Punkt.
Angefangen hatte es in Europa in Paris und Brüssel mit Maschinengewehren und Sprenggürteln. Die hat nicht jeder. Das muss kriegsmäßig vorbereitet werden. Weitergegangen war es in Nizza mit einem Lastwagen, den der Täter einige Tage zuvor gemietet hatte. Das können viele. Zunächst war bei dem Tunesier von einer überraschenden, „raschen Radikalisierung“ die Rede gewesen. Innerhalb von zwei Wochen soll der 31-jährige Mohamed Lahouaiej-Bouhlel vom Drogen, Alkohol und Frauen wie Männer konsumierenden Tunichtgut zum bärtigen Gotteskrieger mutiert sein. Inzwischen ist klar: Der Tunesier hatte die Tat seit mindestens einem Jahr vorbereitet. Und langsam sollten sogar die Deutschen begreifen: Es gibt auch saufende Islamisten. Denn der Islamismus ist keine Religion, sondern eine Ideologie.
Pathologisierung
spricht die Ver-
antwortung ab
Doch warum ist die Tat von Ochsenfurt noch beunruhigender als es die Massaker von Paris, Brüssel und Nizza sind? Weil sie aus unserer Mitte kam, aus unseren eigenen Häusern kroch! Und weil der junge Mann ein Jahr lang als freundlich, nett und besonders integrierbar galt. Das kann jeder.
Dabei war ihm selber das Doppelleben offenbar zunehmend schwer gefallen. Auf Facebook (wo er unter anderer Identität tausende von Seiten gepostet hatte) schrieb er am 24. April 2016: „Offener Hass ist besser, als heuchlerische Beziehungen zu pflegen.“ Es sollte noch drei Monate dauern, bis er die Maske fallen ließ.
Sein Videoappell benennt die neue Etappe der infamen Strategie sehr klar: „Wie ihr seht, habe ich in eurem Land gelebt“, sagt er da. „Ich habe in euren Häusern meinen Plan gemacht und werde euch in euren Häusern und auf der Straße töten, sodass ihr Frankreich vergessen werdet. Ich werde euch mit meinem Messer töten und eure Köpfe mit meiner Axt spalten, so Gott will.“
Auch bei diesem jungen Mann hatte man zunächst von einer sehr überraschenden, „raschen Radikalisierung“ gesprochen. Verständlich. Es fällt schwer, den netten Praktikanten in der Bäckerei und den blutrünstigen Gotteskrieger als ein und dieselbe Person zu sehen. Sollen wir uns so getäuscht haben? Oder ist der junge Mann vielleicht schon als Gotteskrieger eingereist? Vielleicht. Wahrscheinlich sogar.
Es sind immer
"gedemütigte"
Männer
Bei fast allen Tätern, ob selbsternannte und geschickte Gotteskrieger oder Amokläufer, lesen wir in den Medien gerne immer als erstes, die Täter seien „einsam“ gewesen und „depressiv“. (Das war auch bei dem Piloten Andreas Lubitz so, der 149 junge Menschen geplant mit in den Tod gerissen hat). Mag sein. Viele Menschen sind einsam. Und viele neigen zur Traurigkeit. Ein Zustand, der zweifellos verstärkt wird, wenn man aus einem (Bürger)Kriegsland kommt, seine Familie zurückgelassen hat und als Opfer oder/und Täter schon viel Traumatisches erlebt bzw. getan hat.
Aber wollen wir den Tätern nun noch das letzte Stück Menschenwürde absprechen, das sie haben: die Verantwortung? Wollen wir durch die systematische Pathologisierung der Täter die wahren Gründe verschleiern?
Dabei liegt es doch klar auf der Hand: Es sind immer Männer. Es sind fast immer jüngere Männer (die noch nicht eingebunden sind in eine Familie bzw. von ihr getrennt). Und es sind immer entwurzelte (einsame) und gekränkte bzw. sich gedemütigt fühlende Männer. Sie sind, allen voran die Männer aus dem islamischen Kulturkreis, nicht zuletzt gekränkt von den erstarkenden, unabhängigen Frauen im Westen. Aber das ist ein neues Kapitel.
Zu erkennen, wer gefährlich und kaum noch rückholbar ist – aber auch, wer noch gestoppt bzw. auf einen besseren Weg gebracht werden könnte – das ist mindestens so dringend wie der polizeiliche Schutz von Großveranstaltungen. Diese entwurzelten, sich gedemütigt fühlenden Männer müssen präventiv gestoppt werden. Danach ist es zu spät.
Alice Schwarzer
Das Videobekenntnis des Attentäters von Ochsenfurt
Im Namen des allmächtigen Gottes: Ich bin ein Gotteskrieger (mujahed) des Islamischen Staates und heute werde ich einen Selbstmordanschlag in Deutschland verüben. Die Zeiten sind vorüber, in denen Nicht-Muslime in unsere Länder kamen, unsere Frauen und Kinder töteten und niemand Fragen stellte und diese Marionettenführer darüber schwiegen und Muslime Angst hatten, ihren Mund aufzumachen. Diese Zeiten sind vorbei. Nun ist der Islamische Staat in Irak, Syrien und Jemen errichtet worden.
Jeder Mujahed wird zu euch kommen und euch in euren eigenen Häusern töten. Die Mujahedin werden in euren Ländern und Flüchtlingsheimen leben, sie werden Unterschlüpfe errichten und euch auf euren Straßen und in euren Häusern, in den Provinzen und überall angreifen. Der Islamische Staat ist mächtig genug, um dies zu tun. Gott hat uns so viel Kraft gegeben, dass wir euch sogar in euren Parlamenten angreifen können.
Wie ihr seht, habe ich in eurem Land gelebt. Ich habe in euren Häusern meinen Plan gemacht und werde euch in euren Häusern und auf der Straße töten, so dass ihr Frankreich vergessen werdet.
Ich werde euch so lange bekämpfen, so lange noch ein Tropfen Blut in meinem Körper ist. Ich werde euch mit meinem Messer töten und eure Köpfe mit meiner Axt spalten, so Gott will.
Ich rufe alle Muslime auf, sich dem Islamischen Staat anzuschließen und den Kalifen Abu Bakr al Bagdadi anzuerkennen. In jedem Land findet ihr Stellen, wo ihr euch dem Islamischen Staat anschließen könnt. Wenn ihr nicht nach Irak oder Syrien gehen könnt, tötet zumindest Polizisten und Soldaten in euren Regionen… HIER BRICHT DIE VIDEOBOTSCHAFT AB.