Finkielkraut: Antisemitismus von links
Als der Philosoph Alain Finkielkraut am Samstag zufällig im Quartier Montparnasse einem Protestzug der Gelbwesten begegnete, kam es zu einer Konfrontation, die inzwischen nicht nur ganz Frankreich bewegt, sondern auch die Weltpresse. Doch es lief etwas anders, als die meisten berichten.
Vorweg sei gesagt: Finkielkraut ist ein Kind polnisch-jüdischer Eltern, die das KZ überlebt haben. Und er ist Mitglied des elitären Intellektuellen-Clubs Académie Française. Seit Mitte der 70er Jahre veröffentlicht der Philosoph Bücher, die in der Tradition der Aufklärung und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte stehen, inklusive der Frauenrechte.
Gleichzeitig kritisiert er seit etwa 15 Jahren den politisierten Islam und seine Auswüchse innerhalb der Linken und des akademischen Milieus. Er wendet sich in aller Schärfe gegen jeden Kulturrelativismus, in dessen Namen Frauenunterdrückung und Fremdenhass entschuldigt werden. Und er benennt das fatale Bündnis zwischen Islamisten und Teilen der Linken, die unter dem Vorwand ihrer Kritik am Staat Israel ihrem Judenhass freien Lauf lassen. Zuletzt kritisierte er die „schlechtgewissige Flüchtlingspolitik“ von Merkel als „naiv“.
Finkielkraut wurde zum Hassobjekt
der Islamo-Gauchisten
Finkielkraut wurde so zum Hassobjekt selbsternannter „Antirassisten“ und „Intersektionellen“. Also des Milieus, das man in Frankreich die Islamo-Gauchisten nennt, Islam-Linke. Entsprechend hängen sie Finkielkraut seit Jahren Etiketten an wie „islamophob“, „rassistisch“ und „rechts“.
In den vergangenen Monaten hat Finkielkraut sich, auch das atypisch, immer wieder solidarisch erklärt mit dem Anliegen der Gelbwesten: Der Protest der von den Pariser Eliten Abgehängten in der Provinz gegen ihre soziale wie kulturelle Benachteiligung sei berechtigt.
Was aber passierte nun an diesem 16. Februar 2019? Finkielkraut begegnete am helllichten Tag an der Ecke Rue Campagne Première/Boulevard Montparnasse zufällig dem Protestzug der Gelbwesten. Da löste sich ein Pulk von etwa 20 Männern aus der Menge Richtung Finkielkraut, dessen Gesicht dank zahlreicher TV-Auftritte bekannt ist. Sie beschimpften ihn als „dreckiger Zionist“, „Rassist“ und „Faschist“. Den „Drecksjuden“ hat er selber nicht gehört, aber Passanten bezeugen es. "La France est à nous!" rief die Meute. Und: „Geh zurück nach Hause“. Doch wo soll dieses Zuhause von Finkielkraut sein? Er ist in Paris geboren.
Die Stimmung wurde bedrohlich. Wären nicht zufällig Polizisten in der Nähe gewesen, die den Geschmähten schützten, hätte mehr passieren können.
Der Anführer des Angriffs ist inzwischen identifiziert: Es ist ein bärtiger, aktiver Islamist und konvertierter Franzose (mit französischer Mutter und algerischem Vater). „Die anderen waren Nordafrikaner und Palästinenser, stolz auf ihr Palästinensertuch“, sagt Finkielkraut.
Die Zahl der antisemitischen Attacken stieg um 74 Prozent
Und er fügt hinzu: „Das waren keine klassischen Gelbwesten, die mich da angegriffen haben. So eine gelbe Weste kann sich schließlich jeder überstreifen. Diese Beleidigungen kamen nicht vom Volk. Sie kamen aus den Universitäten. Da kriege ich solche Sprüche seit 15 Jahren zu hören.“ Die Zahl der gemeldeten antisemitischen Attacken ist im letzten Jahr um 74 % gestiegen (auf fast 600). Dabei handelt es sich weniger um den „alten“ Antisemitismus, der von rechts kommt, und eher um einen (relativ) neuen Antisemitismus, der von links kommt.
Argumentiert wird im Namen der Kritik an Israel. Dabei wird nicht unterschieden zwischen hie der - legitimen - Kritik an der Politik des Staates Israel - und da der Kritik am Zionismus, die die gesamte Existenzberechtigung des Staates Israel infrage stellt.
„Mit ‚Frankreich gehört uns‘ meinen diese Leute nicht das traditionelle ‚Frankreich den Franzosen‘“, sagt Finkielkraut. „Sie meinen das neue ‚Frankreich gehört den Muslimen‘.“
Alice Schwarzer