"Die Frauen sind für mich Heldinnen!"
Es ist mir eine große Freude, dass ich für meine Arbeit im Desert Flower Center im Krankenhaus Waldfriede mit dem diesjährigen „HeldinnenAward“ ausgezeichnet werde.
Ich bedanke mich bei dem Vorstand der Alice Schwarzer Stiftung sehr herzlich. Es ist eine Bestätigung für unsere so wichtige Tätigkeit, und es ehrt darüber hinaus das ganze Krankenhaus Waldfriede in hohem Maße.
Ganz besonders freue ich mich, dass heute Waris Dirie die Laudatio auf mich gehalten hat. Waris Dirie ist die Schirmherrin unseres Desert Flower Center und ich werde ihre bewegende Rede über weibliche Genitalbeschneidung bei unserer Eröffnungsfeier im September 2013 nie vergessen, bei der sie auch Ausschnitte aus ihrem Film „Wüstenblume“ gezeigt hat.
Die Idee für die Gründung des Desert Flower Center hatte mein Chef, Dr. Scherer. Unterstützt wurde er von Herrn Quoß, Vorstand vom Krankenhaus Waldfriede. Ohne ihr Engagement würde es das Desert Flower Center nicht geben.
Seit nun elf Jahren mache ich diese Arbeit und normalerweise würde ich heute am Freitag gerade Sprechstunde abhalten.
Während der Sprechstunde stellen sich Frauen mit unterschiedlichsten Anliegen bei mir vor. Dabei ist es wichtig, ganz individuell auf jedes Problem einzugehen.
Gerade erst letzte Woche kam eine junge Frau aus Guinea in die Sprechstunde. Wir haben Hilfe von ihrer Freundin erhalten, die per Lautsprecher am Telefon zugeschaltet war und übersetzt hat. Gleich bei den ersten Worten stellte sich heraus, dass wir sie bereits im Jahr 2021 operiert haben und sie mittlerweile einen Sohn entbunden hat. Es ist schön zu sehen, wie trotz dieses Tabuthemas sich die Frauen im kleinen Kreis gegenseitig unterstützen.
Einige Frauen sind schüchtern und ängstlich und haben keine Vorstellung davon, was bei der Beschneidung entfernt wurde - wiederum andere haben genaue Vorstellungen davon, was sie operativ verändert haben möchten. Oft höre ich: „Conny, ich möchte das zurückhaben, was mir weggenommen wurde. Ich möchte mich wieder als vollständige Frau fühlen“.
Allen gemein ist die Tatsache, dass sie in ihrer Kindheit an den Genitalien beschnitten wurden – teilweise sogar mehrfach. Dieses traumatische Erlebnis begleitet sie ein Leben lang.
Diese Frauen sind für mich die wahren Heldinnen. Denn sie sind mutig genug, mich anzurufen und sich Hilfe und Unterstützung zu holen. Diese Frauen haben noch nie mit jemandem darüber geredet, was ihnen in frühester Kindheit widerfahren ist. Ich bin oft die erste Person, mit der sie sich über all das austauschen können, was sie erlebt haben.
Die operativen Eingriffe und Wiederherstellungsoperationen werden durch Dr. von Fritschen durchgeführt. Er ist Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie im HELIOS Klinikum Emil von Behring.
Neben den Operationen bieten wir seit 2015 eine Selbsthilfegruppe an, die sich einmal monatlich trifft. Große Unterstützung erhalte ich von Evelyn Brenda. Mit ihrem eigens gegründeten Verein „Bring Hope Kenya“ setzt sie sich seit vielen Jahren unermüdlich gegen weibliche Genitalbeschneidung ein.
Liebe Evelyn, ich bin Dir sehr dankbar für alles, was ich von Dir gelernt habe. Vieles davon konnte ich in meine tägliche Arbeit integrieren.
Auf unserer ersten gemeinsamen Reise im Mai 2016 in Dein Heimatland Kenia hast Du meine vielen Fragen beantwortet und durch unsere ausführlichen Gespräche habe ich verstanden, wie die Mädchen unter den dortigen Bedingungen aufwachsen. Auch das war und ist extrem wichtig für meine tägliche Arbeit hier in Berlin. Wenn mir meine Patientinnen von ihrer Beschneidung erzählen, sehe ich die kleinen Mädchen in den Lehmhütten - in der ‚Manyata' - vor mir und weiß genau, dass die Eltern mit der grausamen Zeremonie der Beschneidung nur das Beste für ihre Kinder wollen. Es wird aus traditionellen Gründen durchgeführt. Keine meiner Patientinnen würde sich anklagend vor die eigenen Eltern stellen. Ich hätte dieses Bewusstsein nicht, wenn ich vor Ort nicht diese Erfahrungen gemacht hätte.
Seit Anfang des Jahres bieten wir auch psychische und sexualtherapeutische Hilfe an, die von Aissata Cissé-Kultus geleistet wird. Aissata, Du bist ein echter Gewinn in unserem Team. Mit Deinem fröhlichen und warmherzigen Charakter fühlen sich unsere Patientinnen bei Dir sehr gut aufgehoben und werden bestens von Dir betreut.
Sie merken – die Arbeit im DFC ist echte Team Arbeit.
Die Reisen nach Kenia sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Das Krankenhaus Waldfriede kooperiert mit dem Gynocare Womens and Fistula Hospital, das sich in Eldoret befindet. Hier werden Frauen aufgrund ihrer Genitalbeschneidung operiert.
Der Spezialist in dieser Operationstechnik ist Dr. Hillary Mabeya. Zwar sind die Krankenhausrechnungen in Kenia wesentlich geringer als in Deutschland, doch die Frauen können sie trotzdem nicht bezahlen. Dr. Mabeya nimmt sich der medizinischen Versorgung aller Frauen an – unabhängig davon, ob die Frauen die Kosten begleichen können oder nicht.
Bei meiner letzten Reise im Mai/ Juni 2024 habe ich erfahren, dass Alice Schwarzer mit mir in Kontakt treten möchte. Es war der letzte Tag unserer dreiwöchigen Kenia Reise, als ich die Textnachricht auf meinem Handy sah. Ein paar Tage später telefonierte ich persönlich mit Frau Schwarzer und war sehr gerührt zu erfahren, dass mich die Mitglieder des Vorstandes gewählt haben.
Mein herzlicher Dank geht an Sie, Frau Schwarzer!
DR. CORNELIA STRUNZ
Verleihung des HeldinnenAwards am 25. Oktober 2024 im Roten Rathaus Berlin.
Spenden für das Desert Flower Center: Konto: Förderverein Krankenhaus Waldfriede e. V., DKB Bank, IBAN: DE24 1203 0000 1020 1450 15, BIC: BYLADEM1001, Stichwort: Desert Flower Center - www.dfc-waldfriede.de